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Arbeitsrecht
Urlaubsrecht
(fristlose) Kündigung bei Selbstbeurlaubung

Bundesarbeitsgericht (BAG)
Beschluss vom 22.01.98
(2 ABR 19/97)
NZA 1998, 708
BB 1998, 1213
DB 1998, 1290


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Leitsatz:
  Fehlt der Arbeitnehmer unentschuldigt, so beginnt die Ausschlußfrist des § 626 Abs.2 BGB für eine hierauf gestützte außerordentliche Kündigung frühestens mit dem Ende der unentschuldigten Fehlzeit (Bestätigung der Senatsrechtsprechung Urteil vom 25.02.1983, 2 AZR 298/81).
 
 
  
aus den Entscheidungsgründen:
  "Bleibt der Arbeitnehmer eigenmächtig der Arbeit fern, etwa weil er sich nach einem abgelehnten Urlaubsantrag selbst beurlaubt hat, so hat die Rechtsprechung stets einen Dauertatbestand angenommen und ist davon ausgegangen, dass die Ausschlussfrist des § 626 Abs.2 BGB erst dann beginnt, wenn der Arbeitnehmer wieder im Betrieb erscheint (Senatsurteil vom 25.02.1983, 2 AZR 298/81; LAG Hamm Beschluss vom 05.01.1983, 3 TaBV 61/82, BB 1983,1473 und Urteil vom 01.09.1995, 10 Sa 1909/94.

(...)

Der Arbeitnehmer, der eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub antritt, verstößt in erheblichem Maße gegen seine vertraglichen Pflichten. Dieser Pflichtverstoß setzt sich mit jedem weiteren Urlaubstag fort und je länger der Urlaub dauert, desto gewichtiger ist das Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber kann achtenswerte Gründe haben, nicht bereits am ersten Tag des unentschuldigten Fehlens des Arbeitnehmers mit einer fristlosen Kündigung zu reagieren. Oft wird er den Grund des Fehlens des Arbeitnehmers und den Grad der Pflichtwidrigkeit erst nach einem Gespräch mit dem Arbeitnehmer, also nach dessen Rückkehr an den Arbeitsplatz klären können. Reagiert der Arbeitgeber nicht schon auf die Ankündigung des unberechtigten Fehlens oder auf den eigenmächtigen Antritt des nicht genehmigten Urlaubs mit einer fristlosen Kündigung, so kann der Arbeitnehmer daraus noch nicht den Schluss ziehen, der Arbeitgeber halte die Pflichtverletzung für nicht so gravierend, dass dadurch das Arbeitsverhältnis gefährdet werde.

(...)

Bei der erneuten Prüfung wird das Landesarbeitsgericht folgendes zu beachten haben: Tritt der Arbeitnehmer eigenmächtig einen vom Arbeitgeber nicht genehmigten Urlaub an, so verletzt er damit seine arbeitsvertraglichen Pflichten und ein solches Verhalten ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darzustellen. Der Arbeitnehmer, der sich selbst beurlaubt, verletzt nicht eine bloße Nebenpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, er verletzt vielmehr die Hauptpflicht zur Arbeitsleistung, von der er mangels einer Urlaubsbewilligung durch den Arbeitgeber nicht wirksam entbunden ist. Die Urlaubsgewährung erfolgt nach § 7 BUrlG durch den Arbeitgeber. Lehnt dieser die Urlaubserteilung ohne ausreichende Gründe ab oder nimmt in zumutbarer Zeit zu dem Urlaubsantrag keine Stellung, so kann der Arbeitnehmer durch eine Leistungsklage oder ggf. einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung seine Ansprüche durchsetzen. Ein Recht des Arbeitnehmers, sich selbst zu beurlauben, ist angesichts des umfassenden Systems gerichtlichen Rechtsschutzes grundsätzlich abzulehnen (BAGE 9,185; BAG Urteil vom 07.12.1988, 7 AZR 122/88; vgl. BAG Urteil vom 21.05.1992, 2 AZR 10/92, BAGE 70,262; ebenso BAG Urteil vom 21.09.1993, 9 AZR 429/91, BAGE 74,204). Auch wenn der Arbeitgeber dem Urlaubsverlangen des Arbeitnehmers hätte nachkommen müssen, wird dadurch der eigenmächtige Urlaubsantritt durch den Arbeitnehmer nicht zu einer verzeihlichen Verletzung einer Nebenpflicht. Es stellt im Gegenteil regelmäßig sogar eine beharrliche Arbeitsverweigerung dar, wenn der Arbeitnehmer trotz der Ablehnung seines Urlaubsantrags sich einfach selbst beurlaubt und damit beharrlich seiner Arbeitspflicht nicht nachkommt. Ob in derartigen Fällen vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, wird regelmäßig von dem konkreten Inhalt der Unterredung zwischen den Arbeitsvertragsparteien vor dem eigenmächtigen Urlaubsantritt abhängen. Hat der Arbeitgeber auf konkrete betriebliche Gründe hingewiesen, die einer Urlaubsgewährung entgegenstehen und dem Arbeitnehmer nachdrücklich klargemacht, im Fall eines unberechtigten Urlaubsantritts werde er arbeitsrechtliche Konsequenzen ergreifen, so muss dem Arbeitnehmer klar sein, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt, wenn er trotzdem zu dem rechtswidrigen Mittel der Selbstbeurlaubung greift. Nimmt andererseits der Arbeitgeber die Ankündigung des Arbeitnehmers, er werde trotz Ablehnung des Urlaubsantrags in Urlaub gehen, einfach kommentarlos hin, so wird je nach den Umständen der Arbeitnehmer nicht damit rechnen müssen, dass der Arbeitgeber bereit ist, ohne weitere Abmahnung sofort zum äußersten Mittel der fristlosen Kündigung zu greifen. Bei der Interessenabwägung ist es zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn der Arbeitgeber ohne ausreichende betriebliche Notwendigkeit den Betriebsablauf nicht so organisiert hat, dass über die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers rechtzeitig entschieden werden konnte. Andererseits ist zu Lasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wenn (...) ausreichende betriebliche Gründe vorlagen, die einer Urlaubserteilung entgegenstanden und der Arbeitnehmer in Kenntnis der betrieblichen Notsituation unberechtigt der Arbeit ferngeblieben ist."
 

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