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EzB - Entscheidungen zum Bankrecht
Rückvergütungen (Kick-Backs): Rechtsprechungsübersicht
Zu den Aufklärungspflichten des Anlageberaters über vereinnahmte Provisionen
(Rückvergütungen / "Kick-Backs") siehe auch meinen Beitrag in VuR 2010, 25
(Heft 1/2010).
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Die Commerzbank versucht anscheinend, durch Revisionsrücknahmen und Anerkenntnisse
ein weiteres "Kick-Back"-Urteil des BGH zu verhindern.
RAe Kälberer & Tittel, Pressemitteilung vom 09.02.2010
BGH, Anerkenntnisurteil vom 09.02.2010, XI ZR 116/09
(Berufungsurteil: OLG Karlsruhe vom 03.03.2009, 17 U 371/08)
BGH, Anerkenntnisurteil vom 09.02.2010, XI ZR 117/09
(Berufungsurteil: OLG Karlsruhe vom 03.03.2009, 17 U 149/07)
BGH, Anerkenntnisurteil vom 23.02.2010, XI ZR 286/09
(Berufungsurteil: OLG Oldenburg vom 11.09.2009, 11 U 75/08)
BGH, Anerkenntnisurteil vom 04.03.2010, XI ZR 228/09
(Berufungsurteil: OLG Celle vom 01.07.2009, 3 U 257/08)
BGH, Anerkenntnisurteil vom 16.03.2010, XI ZR 258/09
(Berufungsurteil: OLG Dresden vom 24.07.2009, 8 U 1240/08)
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Wenn eine Bank einen Kunden über Kapitalanlagen berät und Fondsanteile empfiehlt,
bei denen sie verdeckte Rückvergütungen aus den Ausgabeaufschlägen
und jährlichen Verwaltungsgebühren erhält, muss sie den Kunden
über diese Rückvergütungen aufklären, damit der Kunde
beurteilen kann, ob die Anlageempfehlung allein im Kundeninteresse
nach den Kriterien anleger- und objektgerechter Beratung erfolgt ist,
oder im Interesse der Bank, möglichst hohe Rückvergütungen
zu erhalten.
BGH, Urteil vom 19.12.2006, XI ZR 56/05
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1. Der Anlageberater ist verpflichtet, den Anleger über Rückvergütungen
und sonstige umsatzabhängige Provisionen aufzuklären. Anders als
bei der Anlagevermittlung besteht die Aufklärungspflicht
des Anlageberaters unabhängig von der Höhe der Provision.
2. Diese Aufklärungspflicht des Anlageberaters ist nicht auf wertpapierrechtliche
Anlageformen beschränkt.
BGH, Beschluss vom 20.01.2009, XI ZR 510/07
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1. Verletzt ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen seine Pflicht, den Kunden über Rückvergütungen
aufzuklären, trägt es die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es nicht vorsätzlich gehandelt hat,
auch dann, wenn seine Haftung für fahrlässiges Handeln nach § 37a WpHG verjährt ist (Fortführung von BGHZ 170, 226).
2. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt auch im Falle unterlassener Aufklärung über Rückvergütungen.
BGH, Urteil vom 12.05.2009, XI ZR 586/07
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Aufklärungspflichtige Rückvergütungen liegen nur dann vor, wenn Teile der Ausgabeaufschläge
oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft zahlt,
hinter seinem Rücken an die beratende Bank umsatzabhängig zurückfließen, so dass diese ein
für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen.
--> Anmerkung RA Maier
BGH, Urteil vom 27.10.2009, XI ZR 338/08
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Für den nicht bankmäßig gebundenen, freien Anlageberater besteht - soweit nicht
§ 31d WpHG
eingreift - keine Verpflichtung gegenüber seinem Kunden, ungefragt über eine
von ihm bei der empfohlenen Anlage erwartete Provision aufzuklären,
wenn der Kunde selbst keine Provision zahlt und offen ein Agio oder Kosten
für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen werden, aus denen ihrerseits
die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden (Abgrenzung zu
BGH, Urteil vom 19.12.2006,
XI ZR 56/05, BGHZ 170,226 = NJW 2007,1876, und BGH, Beschluss vom 20.01.2009, XI ZR 510/07,
VuR 2009,176 = NJW 2009,1416).
Der von seiner Bank bezüglich einer Geldanlage in Wertpapiere beratene Kunde
muss nicht damit rechnen, dass die Bank bei der Anlageberatung eigene Interessen
verfolgt, weil sie zum Beispiel ein umsatzabhängiges eigenes Provisionsinteresse
hat.
BGH, Urteil vom 15.04.2010, III ZR 196/09
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Eine Bank, die einen Kunden im Rahmen der Anlageberatung nicht auf an sie zurückgeflossene Rückvergütungen
hinweist, kann sich jedenfalls für die Zeit nach 1990 nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum
über Bestehen und Umfang einer entsprechenden Aufklärungspflicht berufen.
BGH, Beschluss vom 29.06.2010, XI ZR 308/09
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1. Ein Wertpapierhandelsunternehmen ist verpflichtet, Kunden über Rückvergütungen (Kick-Back-Zahlungen),
die dem Unternehmen durch den Verkauf einer Fondsbeteiligung zufließen, aufzuklären.
Dies gilt auch beim Vertrieb konzerneigener Anlageprodukte.
2. Hat ein Anleger, etwa durch eine Fondsbeteiligung, besondere, außergewöhnlich hohe Steuervorteile erzielt,
so sind diese auf den erlittenen Schaden vorerst anzurechnen. Der (möglichen) Versteuerung
der Schadensersatzleistung kann durch die Feststellung Rechnung getragen werden, dass die Schadensersatzpflicht
den Ausgleich etwaiger auf der Ersatzleistung beruhender, künftiger steuerlicher Nachteile umfasst.
Die Beklagte hat ihrer Aufklärungspflicht nicht genügt. Der Hinweis darauf, dass im Prospekt
Vertriebsprovisionen in der Größenordnung bis zu 13% angegeben sind, ändert hieran nichts,
da aus der Beschreibung im Prospekt nicht deutlich wird, ob und in welchem Umfang die Beklagte selbst
durch Rückvergütungen mit an den dort ausgewiesenen Provisionen verdient.
OLG Celle, Urteil vom 01.07.2009, 3 U 257/08
--> in der Hauptsache rechtskräftig (Revision zurückgenommen)
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1. Eine Bank ist verpflichtet, Kunden über Rückvergütungen (Kick-Back-Zahlungen),
die ihr durch den Verkauf einer Fondsbeteiligung zufließen, aufzuklären.
2. Die im Jahr 2004 unterbliebene Aufklärung über Rückvergütungen hat die Bank verschuldet,
da sie es unterlassen hat, ihre Mitarbeiter in Ansehung der schon damals von Rechtsprechung
und Literatur für geboten erachteten Information über Rückvergütungen, zu einer Offenlegung
im Rahmen der Anlageberatung anzuweisen.
3. Kann der Anleger den zur (Teil-)Finanzierung seiner Fondsbeteiligung abgeschlossenen Darlehensvertrag wegen unzureichender
Widerrufsbelehrung widerrufen und damit
die Rückabwicklung des Darlehensvertrages bewirken, ist er hierzu gegenüber der ihn beratenden Bank
gleichwohl nicht aus dem Gesichtspunkt der Schadensminderung verpflichtet, da der Geschädigte
grundsätzlich auch dann vollen Schadensersatz verlangen kann, wenn ihm zugleich ein Anspruch gegen
einen Dritten zusteht.
"Dass im Prospekt Vertriebsprovisionen in einer Größenordnung von 13,9% angegeben sind, ändert hieran nichts,
da aus der Beschreibung im Prospekt nicht deutlich wird, ob und in welchem Umfang die Beklagte
selbst durch Rückvergütungen mit an den dort ausgewiesenen Provisionen verdient. Deshalb ist es
auch ohne Bedeutung, dass sie im Emissionsprospekt unter der Überschrift 'Eigenkapitalvermittlungsvertrag´
die Möglichkeit der Fondsbetreiberin, auch Dritte als Vertriebspartner im Rahmen der Vermittlung
und Einwerbung des Eigenkapitals einzusetzen, was den Abfluss eines Teils der in die Fondsgesellschaft
fließenden Verwaltungskosten an diese Vertriebspartner nahe legt, offen gelegt hat. Denn jedenfalls
lässt sich für den Kunden daraus weder ohne weiteres erkennen, dass die ihn betreuende Bank
damit zu dem Kreis der Vertriebspartner der Fondsgesellschaft zählt, und deshalb
an den Verwaltungskosten partizipiert, noch in welchem Umfang dies geschieht. Im Prospekt ist
zur Höhe der der Beklagten zufließenden Rückvergütung nichts erwähnt."
OLG Celle, Urteil vom 21.10.2009, 3 U 86/09
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Ein Anlageberater, der es im Jahre 2001 unterlassen hat, im Zusammenhang
mit der Empfehlung einer nicht dem Anwendungsbereich
des WpHG
unterfallenden steuerbegünstigten Kapitalanlage gegenüber
dem Anlageinteressenten unaufgefordert zu offenbaren, dass ihm
eine (die 15%-Grenze unterschreitende) Provision vom Anbieter in Aussicht
steht, befand sich in Bezug auf die Verletzung der Offenlegungspflicht
in einem unvermeidbaren Rechtsirrtum.
--> Anmerkung RA Maier
OLG Dresden, Urteil vom 24.07.2009, 8 U 1240/08
--> vom BGH aufgehoben (Anerkenntnisurteil vom 16.03.2010, XI ZR 258/09)
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1. Die Aufklärungspflicht des Anlageberaters über eigene Provisionen
gilt nicht nur für Banken, sondern auch für freie
Finanzdienstleister (gegen BGH, Urteil vom 15.04.2010, III ZR 196/09).
2. Der Interessenkonflikt des Anlageberaters hängt nicht davon ab, "aus welchem Topf"
er seine Vergütung erhält, sondern davon, dass er umsatzabhängig
am Vertriebserfolg partizipiert und damit in seiner Objektivität beeinflusst
sein kann.
3. Weiß der Anleger, dass sein Berater vom Kapitalsuchenden eine Provision
erhält, bleibt er über die Höhe der Provision
aufklärungsbedürftig. Unterlässt er die Nachfrage zur Höhe
der Provision, so heißt das nicht, dass die Provision
für seine Anlageentscheidung ohne Bedeutung sei
(gegen OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 24.06.2009, 17 U 307/08).
OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.07.2010, I-6 U 136/09
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1. Die Aufklärungspflicht des Anlageberaters über Rückvergütungen
("Kick-Backs") ist auch bei Fondsanlagen nicht von der Höhe
der Rückvergütungen abhängig. Die Rechtsprechung des BGH
zur Aufklärungspflicht über Innenprovisionen erst ab 15%
steht dem nicht entgegen. Beide Aufklärungspflichten haben unterschiedliche
Schutzrichtungen.
2. Über die Größenordnung der Rückvergütung muss
der Anlageberater auch dann aufklären, wenn er vom Anleger
keine Vergütung erhält und der Anleger deshalb vermuten kann,
dass der Anlageberater an den Vertriebskosten partizipiere.
3. Die durch eine Fondsbeteiligung erzielten Steuervorteile eines Anlegers sind
im Rahmen der Vorteilsausgleichung auf den zu ersetzenden Schaden
anzurechnen. Dem Anleger sind dann aber seine durch die Schadensersatzleistung
entstehenden Steuernachteile nachträglich zu ersetzen.
Über Innenprovisionen muss der Anleger aufgeklärt werden, weil sie keine Gegenleistung
für die Schaffung von Sachwerten darstellen und deshalb auf eine geringere Werthaltigkeit
des Objekts und eine geringere Rentabilität der Anlage schließen lassen (...).
Diese Aufklärungspflicht besteht daher nur bei überdurchschnittlich hohen Innenprovisionen,
aber unabhängig davon, wer diese Provisionen erhält. Auf ihr selbst zustehende
Rückvergütungen muss die beratende Bank dagegen schon deshalb hinweisen, weil sie einen
Interessenkonflikt und damit die konkrete Gefahr begründen, dass die Anlage nicht allein
im Kundeninteresse empfohlen wird. Diese Offenbarungspflicht trifft daher nur den Anlageberater und gilt
auch nur für dessen Rückvergütungen; sie besteht aber nicht erst dann,
wenn deren Höhe die Werthaltigkeit der Anlage in Frage stellt.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.2009, 17 U 371/08
--> in der Hauptsache rechtskräftig (Revision zurückgenommen)
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1. (...)
2. Bei der Frage der Aufklärungspflicht eines Anlageberaters über die ihm in Folge der Vermittlung
zustehenden Vergütungen ist zwischen normalen Vertriebsprovisionen (Innenprovisionen) und Rückvergütungen
zu unterscheiden. Nur letztere sind auch unterhalb der vom BGH festgesetzten Schwelle (Innenprovision
mehr als 15% der Beteiligungssumme) aufklärungspflichtig.
--> Anmerkung RA Maier
3. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen liegen nur dann vor, wenn Teile der - offen ausgewiesenen -
Ausgabeaufschläge und Verwaltungskosten, die der Kunde über die Bank oder eine
sonstige Vertriebsgesellschaft an die Fondsgesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken
an den Anlageberater umsatzabhängig zurückfließen, so dass dieser ein für den Kunden
nicht erkennbares besonderes Interesse hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen, die Zahlungen also
schmiergeldähnliche Funktion haben.
4. Jedenfalls dann, wenn die Kosten für die Eigenkapital- und Fremdbeschaffung sowie für eine etwaige
Platzierungsgarantie im rechtzeitig übergebenen Verkaufsprospekt offen ausgewiesen sind und die vom Anlagerberater
erhaltene Provision die angegebenen Kapitalbeschaffungskosten nicht übersteigt, besteht ohne hinzutretende
weitere Umstände keine Pflicht zur Aufklärung über die Höhe der Provisionszahlung.
OLG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2010, 3 U 200/09
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1. Der für die Aufklärungspflicht über Rückvergütungen ("Kick-Backs") maßgebliche Interessenkonflikt
der beratenden Bank wird allein durch die umsatzabhängige Zahlung der Provision, nicht aber
durch den Zahlweg ausgelöst. Der Interessenkonflikt entfällt deshalb nicht dadurch, dass der Anleger
keine Ausgabeaufschläge bezahlt, sondern die Provision aus einem Teil seines Anlagebetrags
gezahlt wird.
2. Beratende Banken konnten ihre Aufklärungspflicht über Rückvergütungen bereits 1994 erkennen.
OLG Stuttgart, Urteil vom 24.02.2010, 9 U 58/09
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1. Eine Bank als Anlageberaterin hat ihren Kunden gegenüber auch außerhalb des Bereiches
des WpHG, also insbesondere
bei Beratung über geschlossene Fonds, mitzuteilen, dass und in welcher Höhe
sie von Dritten für den Absatz des empfohlenen Produktes Vergütungen
(Rückvergütungen, Kick-Backs) erhält (wie BGH, Beschluss vom 20.01.09, XI ZR 510/07).
2. Kam die Bank dieser Pflicht nicht nach, so handelte sie jedenfalls im Jahr 2003 fahrlässig
(wie OLG Karlsruhe, Urteil vom 03.03.09,
17 U 371/08; Abgrenzung zu OLG Dresden,
Urteil vom 24.07.09, 8 U 1240/08 sowie OLG Oldenburg, Urteil vom 11.09.09, 11 U 75/08).
3. Es besteht eine tatsächliche Vermutung, dass der Kunde bei Mitteilung einer Rückvergütung
von über 8% der Beteiligungssumme von der Anlageentscheidung Abstand genommen hätte
(wie BGH, Urteil vom 12.05.09, XI ZR 586/07),
und zwar auch dann, wenn im Prospekt offen gelegt ist, dass für den Vertrieb 13,9%
der Beteiligungssumme ausgegeben werden sollen.
4. Zu den Möglichkeiten der Anlageberatungsgesellschaft, die tatsächliche Vermutung durch Zeugenbeweis
zu entkräften/widerlegen, wenn dazu derjenige Mitarbeiter als Zeuge benannt wird, der den Kunden
gerade nicht über die Vergütung von dritter Seite aufgeklärt hatte.
OLG Stuttgart, Urteil vom 06.10.2009, 6 U 126/09
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1. Prospektangaben über die "Kosten der Eigenkapitalbeschaffung" genügen
nur dann der Aufklärungspflicht des Anlageberaters über seine
eigenen Rückvergütungen, wenn den Angaben ohne weiteres
zu entnehmen ist, dass und in welcher Höhe gerade der Berater
diese Kosten anteilig als Vermittlungsprovision erhält.
2. Die Kenntnis des Anlegers von objektbezogenen Beratungsfehlern begründet
keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von verschwiegenen Rückvergütungen
seines Beraters. Hinsichtlich der verschwiegenen Rückvergütungen liegen
die subjektiven Verjährungsvoraussetzungen des § 199 Abs.1 Nr.2 BGB deshalb erst dann vor, wenn der Anleger
weiß oder grob fahrlässig nicht weiß, dass sein Berater Rückvergütungen erhalten hat.
OLG Stuttgart, Urteil vom 15.07.2009, 9 U 164/07
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1. Provisionen einer beratenden Bank haben eine schmiergeldähnliche Funktion und sind
damit als Rückvergütungen aufklärungspflichtig, wenn der Anleger
aufgrund der Prospektangaben nur spekulieren kann, dass die Bank eine der
im Prospekt genannten provisionsberechtigten Dritten ist, und der Anleger
deshalb nicht damit rechnen muss, dass die Bank bei der Anlegeempfehlung
ein eigenes umsatzabhängiges Provisionsinteresse verfolgt.
2. Auch dann, wenn keine Rückvergütung, sondern eine prospektierte Innenprovision
gegeben ist, muss der Prospekt über die Höhe und
den Adressaten der Provision aufklären.
3. Wenn sich ein Anleger in der Vergangenheit trotz Kenntnis von einer konkreten
Rückvergütung nicht von dem Erwerb einer Beteiligung hat
abhalten lassen, stellt dies keine tragfähige Grundlage für die
Schlussfolgerung dar, dieser Umstand habe für ihn auch bei allen weiteren
Anlageentscheidungen, bei denen eine Aufklärung unterblieben ist,
keine Bedeutung.
4. Eine Obliegenheit des beratenen Anlegers, sich nach etwaigen Rückvergütungen
seines Beraters zu erkundigen, führt die Aufklärungspflicht
des Beraters ad absurdum. Ohne entsprechende Aufklärung
muss sich der Anleger keine Gedanken über einen etwaigen
Interessenkonflikt seines Beraters machen.
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 30.06.2010, 19 U 2/10
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1. Ein Kreditinstitut, das einen Kunden über eine Kommanditbeteiligung an einem Medienfonds berät,
muss den Kunden über den Erhalt von Provisionen, die einen Interessenkonflikt
bei der Anlageberatung begründen können, auch dann aufklären, wenn die Provisionen
einen Wert von 15% des Anlagekapitals unterschreiten (Anschluss an BGH, Beschluss vom 20.01.2009, XI ZR 510/07).
2. Ein unvermeidbarer Rechtsirrtum des Kreditinstituts über diese Aufklärungspflicht
im Jahr 2001 kommt nur in Betracht, wenn das Kreditinstitut
in tatsächlicher Hinsicht darlegt, dass es die Rechtslage gründlich
geprüft hat, ggf. erforderlichen Rechtsrat eingeholt und die einschlägige
höchstrichterliche Rechtsprechung sorgfältig beachtet hat.
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 20.10.2009, 14 U 98/08
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1. Zur Haftung des Anlageberaters für Pflichtverletzungen im Hinblick
auf vermeintlich fehlerhafte Beratung und unterlassener Aufklärung
bei Vermittlung der Beteiligung an dem geschlossenen Film- und Entertainment
VIP Medienfonds V GmbH und Co. KG, insbesondere hinsichtlich der
vom Kapitalsuchenden erhaltenen Vergütung.
2. Den Anlageberater trifft im Gegensatz zum Anlagevermittler grundsätzlich
eine Aufklärungspflicht im Hinblick auf Vermittlungsprovision
auch unterhalb der Schwelle von 15%, um den Anleger
in die Lage zu versetzen, das Umsatzinteresse des Anlageberaters
einzuschätzen.
3. Der Anlageberater kann sich nicht darauf berufen, es fehle wegen Änderung
der höchstrichterlichen Rechtsprechung am Verschulden,
denn diese Rechtsprechung ist nur im Zusammenhang
mit der Haftung eines Anlagevermittlers ergangen, während
der Pflichtenkreis von Anlageberatern höchstrichterlich noch nicht
geklärt und in der Literatur streitig war.
4. Ein Anleger, der sowohl durch den Prospekt auf Vertriebskosten
für den Einsatz Dritter als auch durch den Anlageberater
selbst - hier seine eigene Hausbank - darauf hingewiesen wurde, dass dieser
im Zusammenhang mit der Abwicklung von Anlagebeteiligungen
eine Vergütung vom Kapitalsuchenden erhält, macht aber
durch mangelnde Nachfrage zur genauen Höhe dieser Innenprovision
deutlich, dass diese für seine Anlageentscheidung unwesentlich ist und
sich weitere Aufklärung erübrigt.
--> Anmerkung RA Maier
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 24.06.2009, 17 U 307/08
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 19.08.2009, 17 U 98/09
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1. Die beklagte Bank hat ihre Pflicht, den Kläger über die von ihr
erhaltene Provision für den Vertrieb des Fonds zu informieren,
verletzt.
2. Der Beratungsfehler ist für die Zeichnung der Anlage auch kausal geworden.
Für den Kläger streitet die Vermutung aufklärungsrichtigen
Verhaltens.
3. Für den Schadensersatzanspruch des Klägers fehlt es aber
an einem Verschulden der Beklagten. Bei Geschäftsabschluss
im Frühjahr 2001 war das Gebot, über Rückvergütungen
aufzuklären, für die Beklagte selbst bei einer sorgfältigen
Prüfung der Rechtslage und Einholung von Rechtsrat nicht erkennbar.
"Ein Verschulden der Beklagten ist hier durch einen unvermeidbaren Rechtsirrtum ausgeschlossen, da weder
die für die Beklagte handelnden Berater noch deren verantwortliche Organe zum Zeitpunkt
der Anlageentscheidung im Mai 2001 die Pflichtwidrigkeit ihres Verhaltens erkannt
haben oder hätten erkennen können, nachdem der BGH in der Entscheidung vom 20.01.2009 erstmals eine Pflicht zur Offenbarung
von Rückvergütungen unabhängig von deren Höhe auch für einen
geschlossenen Medienfonds bejaht hat. (...)
Bei der Beurteilung der Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit der unterlassenen Aufklärung über Innenprovisionen
ist auf den Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung sowie der Geschäftspraxis
zum Zeitpunkt der Beratung und Zeichnung der Beteiligung im Mai 2001 abzustellen.
Für die Beklagte war bei Geschäftsabschluss im Frühjahr 2001 das Gebot, über Rückvergütungen
aufzuklären, selbst bei einer sorgfältigen Prüfung der Rechtslage und Einholung von Rechtsrat nicht erkennbar.
Der Senat folgt insoweit der Entscheidung
des OLG Dresden vom 24.07.2009, das im einzelnen dargelegt hat, dass unter Berücksichtigung
der Rechtsprechung und Literatur sowie der Gesetzeslage zum damaligen Zeitpunkt eine Pflicht zur Aufklärung
über jede Innenprovision nicht angenommen werden musste. Einschlägige Urteile zu den Aufklärungspflichten
über Kick-Backs beim Vertrieb geschlossener Fonds gab es damals noch nicht. Instanzgerichte verneinten vielmehr
in der Folgezeit eine Aufklärungspflicht (OLG Frankfurt vom 14.10.2002, 8 U 96/02). Eine Pflicht
zur Aufklärung über Vermittlungs- und Bestandsprovisionen war nicht Gegenstand der Diskussion."
Hinweis: Der vom OLG Oldenburg angeführte Beschluss des OLG Frankfurt a.M. vom 14.10.2002 betrifft gerade (ausdrücklich!) nicht "den Anlageberater des Kunden".
OLG Oldenburg, Urteil vom 11.09.2009, 11 U 75/08
--> vom BGH aufgehoben (Anerkenntnisurteil vom 23.02.2010, XI ZR 286/09)
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Eine Übertragung der Kick-Back-Rechtsprechung scheide aus, da der Verkauf der Zertifikate ein Eigengeschäft
der Beklagten war und entsprechend kein Dreipersonenverhältnis vorgelegen habe. Jedem Anleger, der die Beratungsleistung
einer Bank in Aspruch nimmt, hierfür aber keine gesonderte Vergütung entrichtet, müsse klar sein,
dass das Unternehmen mit seiner Leistung einen Gewinn erziele. Einer besonderen Aufklärung
bedürfe es insoweit nicht. Die Annahme einer entsprechenden Aufklärungspflicht würde Banken entgegen
ihren schutzwürdigen Interessen zwingen, bei der Anlageberatung ihre Kalkulation und Ertragsstruktur vollständig
offenzulegen. Eine entsprechende Aufklärungspflicht habe zudem schon deshalb nicht bestanden, weil die Beklagte
mit der Empfehlung der Lehman-Zertifikate sogar einen geringeren Gewinn als mit dem Verkauf ihrer anderen
Anlageprodukte erwirtschaftet habe. Gegenüber anderen Anlageformen habe damit kein erhöhter Vertriebsanreiz und deshalb
auch kein Interessenkonflikt existiert, der die Beklagte zur Offenlegung der Marge und/oder des Platzierungsrisikos
verpflichtet habe.
--> Anmerkung RA Maier
OLG Hamburg, Urteile vom 23.04.2010, 13 U 117/09, 13 U 118/09
(Pressemitteilung)
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Der Anlageberater muss seinen Kunden über eine Gewinnmarge aufklären,
die er beim Eigenvertrieb fremder Finanzprodukte erzielt.
Die BGH-Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten
über Rückvergütungen ("Kick-Backs") ist auf diesen Fall
zu übertragen.
LG Hamburg, Urteil vom 23.06.2009, 310 O 4/09
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Der vom Bundesgerichtshof für den Fall der Rückvergütung entwickelte Grundsatz, dass der Anleger
auch darüber aufzuklären ist, ob und in welchem Umfang die Bank an einer bestimmten Anlage verdient,
ist auf den vorliegenden Fall einer von der Bank erwarteten Handelsspanne übertragbar. Die Interessenlage
der am Beratungsvertrag Beteiligten ist in den Fällen, in denen eine Bank zu einer Anlage rät,
mit der sie eine Handelsspanne realisieren will, nicht wesentlich anders als in den Fällen, in denen
die Bank eine Rückvergütung für die Vermittlung einer bestimmten Anlage erhalten will. (...)
In beiden Fällen besteht die Gefahr, dass die Bank ihre Empfehlung nicht anleger- und objektgerecht
allein im Kundeninteresse abgibt, sondern zumindest auch ein eigenes Interesse verfolgt.
LG Hamburg, Urteil vom 01.07.2009, 325 O 22/09
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Die Beklagte hat es zudem pflichtwidrig unterlassen, den Kläger über die
zu erwartende Provision aus dem Vertrieb des streitgegenständlichen
Zertifikats aufzuklären.
LG Hamburg, Urteil vom 10.07.2009, 329 O 44/09
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Ein Schadensersatzanspruch des Anlegers gegen die beratende Bank wegen verschwiegener
Rückvergütungen ("Kick-Backs") besteht auch dann, wenn der Anleger
das empfohlene Finanzierungsgeschäft wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung weiterhin
widerrufen kann.
Der Anleger muss dann aber seine Rechte gegen die finanzierende Bank
auf und aus dem Widerruf an die beratende Bank abtreten (§ 255 BGB analog).
LG Hamburg, Urteil vom 22.07.2009, 313 O 340/08
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Ein Anlageberater ist auch außerhalb des Anwendungsbereichs des WpHG verpflichtet, den Anlageinteressenten über Rückvergütungen,
die ihr der Eigenkapital Suchende versprochen hat (Innenprovisionen), aufzuklären und zwar unabhängig
von der Höhe der Rückvergütungen (BGH, Beschluss vom 20.01.2009, XI ZR 510/07; Schirp/Mosgo, BKR 2002,354,359 f.).
LG Hamburg, Urteil vom 18.03.2009, 301 O 26/08
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1. Der durch den Emittenten eines Anlageprodukts gezahlte "Bonus" ist als Form
der Rückvergütung nicht nur dem Grunde nach, sondern auch
nach seiner exakten Höhe dem Kunden durch den Anlageberater ungefragt
mitzuteilen.
2. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt grundsätzlich auch
für die fehlende Aufklärung eines Anlageberaters
über Rückvergütungen.
3. Der Anlageberater hat darzulegen und zu beweisen, dass er eine festgestellte
Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat; insbesondere welche organisatorischen
Maßnahmen er für die zuständigen Berater generell oder auch
im konkreten Einzelfall überhaupt getroffen hat, um diesen eine
ordnungsgemäße Aufklärung der Kunden zu ermöglichen
und nahe zu bringen.
4. Europarechtliche Regelungen stehen dem Schadensersatzanspruch des Kunden nicht entgegen.
Rückvergütungen sind alle Zahlungen, die der Berater eines Anlagekunden vom Emittenten
der verkauften Wertpapiere bezahlt erhält. Auch ein Rabatt auf den Verkaufspreis
wäre nichts anderes als eine versteckte Rückzahlung, nämlich eine Gewinnerzielung seitens
des Beraters aus dem vermittelten Geschäft im Wege des Vorabzugs.
LG Frankfurt a.M, Urteil vom 10.07.2009, 2-21 O 45/09
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Der Vermögensverwalter muss seine Rückvergütungen in einem Euro-Betrag angeben.
LG Heidelberg, Urteil vom 31.07.2008, 3 O 98/08
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Bei einem Medienfonds ist das die Anlage vermittelnde Finanzinstitut im Rahmen eines Anlageberatungsvertrags verpflichtet,
Rückvergütungen durch den Fonds - unabhängig von deren Höhe - ungefragt offenzulegen.
LG Heidelberg, Urteil vom 14.07.2009, 2 O 351/08
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Fraglich ist hier aber, ob die vorliegende Vergütung eine Rückvergütung
im Sinne der Rechtsprechung des BGH ist. Die Beklagte erhält
von der Emittentin einen Abschlag auf den Kaufpreis
für den Erwerb und verkauft weiter an den Anleger
zum festgelegten Ausgabepreis. In der Spanne liegt ihr Gewinn.
Werden Anteile an Investmentfonds veräußert, erwirbt der Kunde
mit einem an die Fondsgesellschaft zu bezahlenden Ausgabeaufschlag.
Bezahlt diese einen Teil hieraus zurück an die Bank,
besteht die Gefahr, dass sie nicht unbeeinflusst von dieser Aussicht
auf Rückzahlung berät. Inbesondere im Vergleich zu Alternativ-Fonds
von Gesellschaften, die keine Rückvergütungen gewähren,
kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Empfehlungen unbeeinflusst
ausgesprochen werden. Werden aber Papiere von der Emittentin mit
einem Preisabschlag (...) zunächst erworben, um sie dann
weiterzuveräußern, handelt es sich um eine übliche
Handelsspanne, mit der der Kunde rechnet. Billigerweise kann er nicht erwarten,
ohne Vergütung beraten zu werden. Nach Auffassung des Gerichts ist
bei dieser Sachlage eine Provision nur dann offenbarungspflichtig,
wenn diese außergewöhnlich hoch ist. (...)
--> Anmerkung RA Maier
Ferner kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger bei Kenntnis
der von der Beklagten unwidersprochen vorgetragenen Vergütung von 3,5%
von den streitgegenständlichen Geschäften Abstand genommen hätte.
Nach dem Sachvortrag der Parteien deutet nichts darauf hin,
dass der Kläger bei entsprechender Kenntnis auf eine Geldanlage
verzichtet hätte. (...) Bei dieser Interessen- und Kenntnislage
des Klägers kann nicht davon ausgegangen werden, dass er
auf die Geldanlage verzichtet und eine weniger lukrative gewählt hätte.
Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens besteht hier nicht darin, dass er
von dem Geschäft Abstand genommen hätte. Die Kausalitätsvermutung
bei Aufklärungspflichtverletzungen setzt voraus, dass es nur eine bestimmte
Möglichkeit "aufklärungsrichtigen" Verhaltens gibt. Hingegen ist
diese Vermutung nicht begründet, wenn eine gehörige Aufklärung
beim Vertragspartner eine Entscheidungskonflikt ausgelöst hätte,
weil es vernüftigerweise nicht nur eine, sondern mehrere Möglichkeiten
aufklärungsrichtigen Verhaltens gab (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2004,
XI ZR 178/03).
--> Anmerkung RA Maier
LG Chemnitz, Urteil vom 23.06.2009, 7 O 359/09
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Eine Provision von 3,5% des Kaufpreises für die Vermittlung
von Inhaberschuldverschreibungen (Zertifikate) entspricht allgemeiner Übung
der Banken. Ein Kunde muss mit solchen Gebühren rechnen, selbst wenn sie
in der Verkaufsabrechnung nicht ausgewiesen sind. Es handelt sich dabei
nicht um eine sog. "Kick-Back-Provision". Die beratende Bank muss hierüber
nicht aufklären.
--> Anmerkung RA Maier
LG Itzehoe, Urteil vom 06.08.2009, 7 O 39/09
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1. Es kann offen bleiben, ob die beratende Bank, die die empfohlenen Zertifikate fremder
Emittenten selbst veräußert, bei einem solchen Eigengeschäft
über ihre Gewinnmarge aufklären muss.
2. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens setzt voraus, dass nur eine
vernünftige Handlungsalternative in Betracht kommt. Das ist nur bei einer
außergewöhnlich hohen Vergütung (Gewinnmarge) anzunehmen, zumal wenn
der Anleger später trotz offengelegter Provision weitere Zertifikate erworben hat.
3. / 4. (...)
5. Der Anleger hat keinen Auskunftsanspruch gegen die beratende Bank, ob im Rahmen
der Anlageberatung Mitteilungspflichten verletzt wurden.
Eine Stufenklage
zur Ermittlung/Bezifferung evtl. Provisionen/Rückvergütungen ist unzulässig,
wenn der Anleger die Auskunft nicht benötigt, um seinen
Schadensersatzanspruch zu beziffern. Die beratende Bank trägt aber
eine sekundäre Darlegungslast zu Vorgängen, die sich der Wahrnehmung
des Anlegers entziehen.
LG Stuttgart, Urteil vom 17.07.2009, 8 O 129/09
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Siehe auch
Rechtsprechungsübersicht
Lehman-Zertifikate
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Rechtsanwalt Arne Maier, Am Kronenhof 2, 73728 Esslingen
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