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Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

AGG und Kündigung

   

Ist eine Kündigung unwirksam, wenn sie gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG verstößt?

Gemäß § 2 Abs.4 AGG sollen für Kündigungen "ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten". Dieser Anwendungsausschluss des AGG für Kündigungen verstößt nach allgemeiner Auffassung gegen die Bestimmungen der übergeordneten EG-Richtlinien. Auch der Europäische Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die Richtlinie 2000/78/EG auch vor diskriminierenden Kündigungen schützt (EuGH, Urteil vom 11.07.06).

Im Regelfall wird sich dieser Anwendungsausschluss des AGG aber auf die Wirksamkeit einer Kündigung nicht auswirken. Eine Kündigung, die wegen eines Diskriminierungsmerkmals des § 1 AGG erfolgt, wird regelmäßig schon aufgrund der Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz unwirksam sein.
-->  allgemeine Hinweise zum Kündigungsschutz

Probleme können insbesondere in folgenden Fällen auftreten:

  • es besteht kein Kündigungsschutz (Kleinbetrieb, Wartezeit)
  • die Frist für die Kündigungsschutzklage ist abgelaufen
  • Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl
  • Kündigung wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten


  • Berechnung der Kündigungsfrist: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hält die Regelung in § 622 Abs.2 Satz 2 BGB wegen Altersdiskriminierung für unwirksam. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat dem Europäischen Gerichtshof diese Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.
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    Stellt die Kündigung eines älteren Arbeitnehmers wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten eine unzulässige Altersdiskriminierung dar? Diese Frage wird ausführlich behandelt in einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 18.06.07. Im dortigen Fall handelte es sich um einen Kleinbetrieb, das Kündigungsschutzgesetz war deshalb nicht anzuwenden.

    Das Landesarbeitsgericht stellt zunächst klar, dass zumindest in diesen Fällen der Diskriminierungsschutz des AGG gelten muss. "Jede andere Beurteilung stünde nicht im Einklang mit den verfassungs- und europarechtlichen Vorgaben." Weiter geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass es grundsätzlich eine (mittelbare) Altersdiskriminierung darstellen kann, wenn ein älterer Arbeitnehmer wegen Fehlzeiten gekündigt wird, die über den durchschnittlichen Fehlzeiten der jüngeren Arbeitnehmer liegen, sich aber noch im Rahmen der durchschnittlichen Fehlzeiten vergleichbarer Arbeitnehmer seiner Altersgruppe bewegen.
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    Die Berücksichtigung des Alters bei der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung ist Gegenstand mehrerer Urteile des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 05.02.07 und vom 03.07.07. Das Arbeitsgericht Osnabrück wendet § 7 AGG auch auf Kündigungen an; § 2 Abs.4 AGG schließe diese Anwendung des AGG nur dann aus, wenn das Kündigungsschutzgesetz bereits einen ausreichenden Diskriminierungsschutz gewährt.

    Arbeitsgericht Osnabrück, Urteile vom 05.02.07:
    Der Arbeitgeber hatte Altersgruppen gebildet und die Sozialauswahl innerhalb dieser Altersgruppen durchgeführt. Im Ergebnis waren dadurch erheblich mehr ältere Arbeitnehmer von der Kündigung betroffen als bei einer "normalen" Sozialauswahl (ohne die Bildung von Altersgruppen). Der Arbeitgeber rechtfertigte diese Benachteiligung älterer Arbeitnehmer mit dem betrieblichen Interesse an einer ausgewogenen Altersstruktur. Das Arbeitsgericht Osnabrück hält eine solche Rechtfertigung zwar grundsätzlich für möglich (§ 10 AGG), dies aber nur dann, wenn der Arbeitgeber im Einzelfall ein besonderes Interesse an einer bestimmten Altersstruktur seiner Belegschaft hat. Fehlt ein solches besonderes Interesse des Arbeitgebers, dann ist die betriebsbedingte Kündigung auch dann unwirksam, wenn die Sozialauswahl mit dem Betriebsrat in einem Interessenausgleich mit Namensliste vereinbart wurde (§ 1 Abs.5 KSchG). Das Arbeitsgericht Osnabrück hatte nicht darüber zu entscheiden, ob das Alter bei der "normalen" Sozialauswahl (ohne die Bildung von Altersgruppen) berücksichtigt werden darf (§ 1 Abs.3 KSchG), vertritt aber die Ansicht, dass dies "grundsätzlich gerechtfertigt ist".

    Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat die Urteile des Arbeitsgerichts Osnabrück zum Teil aufgehoben, weil es ein besonderes Interesse des Arbeitgebers an der Bildung von Altersgruppen bejaht hat. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen.

    Arbeitsgericht Osnabrück, Urteil vom 03.07.07:
    Hier hatte der Arbeitgeber alle Arbeitnehmer ab 55 Jahre "wegen Rentennähe und sozialer Absicherung" aus der Sozialauswahl herausgenommen und gekündigt, weil diese Arbeitnehmer "die Möglichkeit haben, nach Ablauf von 30 Monaten (12 Monate Transfergesellschaft und 18 Monate Arbeitslosengeldbezug) eine Altersrente (gekürzt oder ungekürzt) zu beziehen". Das Arbeitsgericht Osnabrück hält diese unmittelbare Altersdiskriminierung im konkreten Fall für unzulässig, weil der Arbeitgeber keinen rechtfertigenden Grund nach § 10 AGG dargelegt habe.

    Außerdem hatte der Arbeitgeber die Sozialauswahl nach einem Punktesystem durchgeführt; pro Lebensjahr wurde ein Punkt vergeben. Auch hierin sieht das Arbeitsgericht Osnabrück eine Altersdiskriminierung, weil jüngere Arbeitnehmer benachteiligt werden; auch diese Benachteiligung wegen des Alters sei nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt.
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    Ein weiterer "Problemfall" wird seit Anfang 2007 beim Arbeitsgericht Marburg verhandelt.
    -->  Pressebericht

    Die dortige Klägerin wurde vor Ablauf der 6monatigen Wartezeit des § 1 KSchG gekündigt, das Kündigungsschutzgesetz ist also nicht anwendbar. Der Arbeitgeber soll bei Übergabe der Kündigung erklärt haben, dass sie "für das Marktteam zu alt" sei. Der Arbeitgeber bestreitet diese Äußerung, das Arbeitsgericht wird hierzu einen Zeugen vernehmen, der bei der Übergabe der Kündigung dabei war.

    Die dortige Klägerin hat außerdem beantragt, die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, um zu klären, ob der Anwendungsausschluss des AGG für Kündigungen wirksam ist. Es erscheint fraglich, ob eine solche Vorlage erforderlich ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesarbeitsgerichts ist eine treuwidrige Kündigung nämlich auch dann unwirksam, wenn kein allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz besteht (Kleinbetrieb, Wartezeit).

    Hierzu Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.05.03:
    "Zu den typischen Tatbeständen einer treuwidrigen Kündigung zählen Rechtsmissbrauch und Diskriminierungen."

    Demnach müsste die Kündigung schon nach bisheriger Rechtsprechung unwirksam sein, wenn die Klägerin die behauptete Äußerung des Arbeitgebers beweisen kann; es kommt dann also gar nicht darauf an, ob der Anwendungsausschluss des AGG für Kündigungen wirksam ist.

    Wenn die Klägerin die besagte Äußerung des Arbeitgebers dagegen nicht beweisen kann, dann würde ihr auch die Anwendbarkeit des AGG nicht weiterhelfen. Auch nach dem AGG müsste die Klägerin zumindest Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals (hier: Alter) vermuten lassen (§ 22 AGG).

    Solche Indizien liegen im dortigen Fall aber anscheinend nicht vor, abgesehen von der streitigen Äußerung des Arbeitgebers. Im Gegenteil: Der Arbeitgeber hat die Klägerin erst kürzlich eingestellt; es erscheint deshalb wenig wahrscheinlich, dass die Kündigung wegen des Alters der Klägerin erfolgte.

    Anders wäre es dann, wenn es solche Indizien gäbe, wenn diese Indizien aber nicht ausreichen würden, um eine Benachteiligung wegen des Alters zu beweisen. Dann käme es tatsächlich darauf an, ob das AGG und insbesondere die Beweislastregel des § 22 AGG anzuwenden ist.
     
     
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