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Arbeitsrecht
Ausschlussfrist
Berufung auf Auschlussfrist treuwidrig
bei vorherigem Schuldanerkenntnis

§ 16 BRTV-Bau 1981   (--> § 15 BRTV-Bau 2002)

Bundesarbeitsgericht (BAG)
Urteil vom 10.10.02
(8 AZR 8/02)
BAGE 103, 71
NZA 2003, 329
MDR 2003, 393


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Leitsatz:
  Es verstößt in der Regel gegen Treu und Glauben, wenn sich ein Arbeitnehmer darauf beruft, der Gläubiger habe bei der Geltendmachung einer Schadensersatzforderung die gültige ein- oder zweistufige Ausschlussfrist nicht gewahrt, falls der Arbeitnehmer die Forderung zuvor deklaratorisch anerkannt hat. Dies gilt auch dann, wenn der Schuldner das deklaratorische Schuldanerkenntnis später anficht.
 
 
  
   aus den Entscheidungsgründen:   
  "Eine gegen Treu und Glauben verstoßende und damit gemäß §§ 242, 134 BGB unzulässige Rechtsausübung stellt die Berufung auf eine Ausschlussfrist dann dar, wenn die zum Verfall des Anspruchs führende Untätigkeit des Gläubigers hinsichtlich der erforderlichen Geltendmachung des Anspruchs durch ein Verhalten des Schuldners veranlasst worden ist. Der Schuldner muss also den Gläubiger von der Geltendmachung des Anspruchs bzw. der Einhaltung der Verfallfrist abgehalten haben.

Das wird z.B. angenommen, wenn der Schuldner durch positives Tun oder durch pflichtwidriges Unterlassen dem Gläubiger die Geltendmachung des Anspruchs oder die Einhaltung der Frist erschwert oder unmöglich gemacht hat bzw. an objektiven Maßstäben gemessen den Eindruck erweckt hat, der Gläubiger könne darauf vertrauen, dass der Anspruch auch ohne Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist erfüllt werde. Dies wird insbesondere bei besonderen Zusagen angenommen (...).

Die Beklagte konnte im Streitfall darauf vertrauen, dass der Kläger die Schadensersatzforderung auch ohne weitere schriftliche oder gerichtliche Geltendmachung erfüllt, da dieser mit Zustimmung zu dem Darlehensvertrag die ursprüngliche Schadensersatzforderung im Wege eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses anerkannt hat. (...)

Das Bundesarbeitsgericht vertritt in mittlerweile ständiger Rechtsprechung bei Lohnansprüchen des Arbeitnehmers die Auffassung, dass Forderungen nicht mehr geltend gemacht werden müssen, um eine Ausschlussfrist zu wahren, wenn der Arbeitgeber durch Abrechnung eine Forderung des Arbeitnehmers vorbehaltlos ausgewiesen hat. Die Ansprüche würden damit "streitlos" gestellt (...).

Auch bei Ansprüchen des Arbeitgebers hat das Bundesarbeitsgericht im Falle einer einstufigen Ausschlussfrist die Auffassung vertreten, dass sich derjenige, der, sei es auch ohne Absicht, durch Abgabe eines Schuldanerkenntnisses bewirke, dass sein Gläubiger die Schriftform einer tariflichen Ausschlußssbestimmung nicht einhalte, nicht mit Erfolg auf den Ablauf einer Ausschlussfrist berufen könne (...). (...)

Es verstößt in der Regel gegen Treu und Glauben, wenn sich ein Arbeitnehmer darauf beruft, der Gläubiger habe bei Geltendmachung einer Schadensersatzforderung die gültige Ausschlussfrist nicht gewahrt, falls der Arbeitnehmer diese Forderung zuvor deklaratorisch anerkannt hat. In der Regel verzichtet der Schuldner mit der Abgabe eines deklaratorischen Anerkenntnisses auf alle Einwendungen tatsächlicher und rechtlicher Natur, die er bei der Abgabe kannte oder mit denen er mindestens rechnete (...). (...)

Unter Berücksichtigung des Zwecks tariflicher Ausschlussfristen beinhaltet die Abgabe eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses durch den Schuldner regelmäßig dessen Verzicht auf die Beachtung von Ausschlussfristen. (...)

Hieran ändert sich auch nichts, wenn der Schuldner die Wirksamkeit seines Anerkenntnisses später wieder in Abrede stellt. Nach allgemeinen Grundsätzen steht der Verstoß gegen Treu und Glauben einer Berufung auf die Ausschlussfrist zwar nur so lange entgegen, wie der Gläubiger von der Einhaltung der Ausschlussfrist abgehalten wird und auf die Erfüllung der Ansprüche ohne Beachtung der Frist vertrauen darf. Nach dem Wegfall der den Arglisteinwand gegenüber der Ausschlussfrist begründenden Umstände müssen die Ansprüche innerhalb einer kurzen, nach den Umständen des Falles sowie Treu und Glauben zu bestimmenden Frist in der nach dem Tarifvertrag gebotenen Form geltend gemacht werden (...). (...)

Es wäre demgemäß treuwidrig, wenn der Schuldner den Gläubiger durch das bloße Infragestellen des einmal abgegebenen Anerkenntnisses zwingen könnte, ihm nunmehr im Rahmen eines Zahlungsprozesses baldmöglichst die Gelegenheit zu verschaffen, die Nichtigkeit des Anerkenntnisses zu beweisen. Will er eine zeitnahe Klärung durchführen, kann er selbst eine negative Feststellungsklage erheben. Er verdient auch nicht mehr den Vorteil eines alsbald wiederhergestellten Rechtsfriedens nach beendetem Zahlungsprozess, den er selbst mit der negativen Feststellungsklage seinerseits herbeiführen könnte, wenn ihm daran gelegen ist."
 

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