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aus den Entscheidungsgründen: |
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"Der Nachweis einer geschlechtsspezifischen Diskriminierung
wird durch die Beweislastregel des § 611a I 3 BGB erleichtert.
Diese Beweislastregel bezieht sich auf den Benachteiligungsgrund,
also auf die Tatsache der Benachteiligung gerade aus geschlechtsspezifischen
Gründen. Wenn die geschlechtsspezifische Benachteiligung nicht offen
zu Tage tritt, muss der Arbeitnehmer zunächst Tatsachen glaubhaft machen,
die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten lassen.
Es genügt die Überzeugung des Gerichts von der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen
Geschlechtszugehörigkeit und Nachteil. Solche Vermutungstatsachen können
in Äußerungen des Arbeitgebers bzw. anderen Verfahrenshandlungen
begründet sein, die die Annahme einer Benachteiligung
wegen des Geschlechts nahelegen. Ist die Benachteiligung
aus geschlechtsspezifischen Gründen überwiegend wahrscheinlich,
muss nunmehr der Arbeitgeber den vollen Beweis führen,
dass die Benachteiligung aus rechtlich zulässigen Gründen
erfolgte (BAG, Urteil vom 05.02.04).
Zur Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers führt beispielsweise
die Verletzung des Gebots zur geschlechtsneutralen Stellenausschreibung
gemäß § 611b BGB
(BVerfG, Beschluss vom 16.11.93).
Ein solcher Verstoß begründet grundsätzlich die Vermutung,
dass ein Arbeitnehmer eines bestimmten Geschlechts, unabhägig davon,
ob noch andere Gründe für die Einstellungsentscheidung
maßgeblich waren, wegen seines Geschlechts benachteiligt worden ist
(BAG, Urteil vom 27.04.00;
BAG, Urteil vom 05.02.04).
(...)
Mit der Bezugnahme auf den Text der im Online-Stellendienst
der Bundesanstalt
für Arbeit erschienenen Anzeige, die auf eine offene Ausbildungsstelle
bei der Beklagten und eine Bevorzugung männlicher Bewerber hinwies,
hat die Bewerberin Tatsachen glaubhaft gemacht, die geeignet waren,
eine Benachteiligung wegen des Geschlechts
gemäß § 611a I 3 BGB vermuten zu lassen.
Es handelte sich hierbei um eine gegen § 611b BGB verstoßende
Stellenausschreibung, die die Vermutung begründen konnte,
die Bewerberin sei wegen ihres Geschlechts von der Beklagten
abgelehnt und somit bei einer Stellenbesetzung benachteiligt worden.
Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat sich dieser Erkenntnis bereits deshalb verschlossen,
weil es als benachteiligende Maßnahme i.S.d. § 611a I 1 BGB fälschlich nicht
die zweifellos der Beklagten zuzurechnende Zurückweisung der Bewerbung,
sondern die Aufnahme des Hinweises auf eine Bevorzugung
männlicher Bewerber in die Stellenanzeige angesehen und geprüft hat,
ob die darin liegende geschlechtsbezogene Benachteiligung von der Beklagten
veranlasst und gewollt war. Diese Rechtsanwendung beruht auf einem grundlegenden
Fehlverständnis der Norm, da die benachteiligende Maßnahme
i.S.d. § 611a I 1 BGB und die Vermutungsbasis
für einen geschlechtsbezogenen Benachteiligungsgrund
i.S.d. § 611a I 3 BGB verwechselt wurden.
Ausgehend von diesem verfehlten Standpunkt hat das Landesarbeitsgericht
den Verantwortungsbereich der Beklagten für die
auf ihre Ausbildungsstelle hinweisende Stellenausschreibung zu eng
gezogen, indem es davon ausgegangen ist, dass die Beklagte den Zusatz
'Männliche Bewerber bevorzugt' nicht gewollt bzw. nicht in zurechenbarer Weise
veranlasst habe und dass deshalb der Tatbestand des § 611a BGB nicht erfüllt sei.
Diese Sichtweise würde es dem potenziellen Arbeitgeber ermöglichen,
die Verantwortung für ein geschlechtsneutrales Verhalten bei Ausschreibungen,
die ihm durch § 611b BGB auferlegt ist, durch die Behauptung,
andere Personen seien für den Inhalt der Ausschreibung verantwortlich,
auf Dritte abzuwälzen. Damit würde der grundsätzlich anerkannte
Indizwert einer Stellenausschreibung ausgehebelt. Der Bewerber wird in der Regel
kaum in der Lage sein zu ermitteln, wie es im Einzelnen
zu der Stellenausschreibung gekommen ist und ob Zeugen vorhanden sind, welche
die Behauptung des Arbeitgebers, der Text der Anzeige gehe nicht
auf seine Veranlassung zurück, widerlegen können. Dadurch wäre
die Möglichkeit, sich auf eine vom Arbeitgeber zu verantwortende
Stellenausschreibung als Vermutungsbasis für eine geschlechtsbezogene
Diskriminierung zu berufen, erheblich eingeschränkt. Der Arbeitgeber kann
die Gesetzmäßigkeit der Ausschreibung ohne Weiteres überwachen.
Ihn trifft im Falle der Fremdausschreibung eine entsprechende Sorgfaltspflicht
(BAG, Urteil vom 05.02.04). Das LAG hat demgegenüber
fälschlich angenommen, es sei nicht Aufgabe der Beklagten gewesen,
die Ausschreibungen in der elektronischen Stellenbörse
der Bundesanstalt
für Arbeit zu überprüfen. Bei einer derartigen
Anwendung der §§ 611a, 611b BGB ergäbe sich aus diesen,
den Grundrechtsschutz des Art.3 II GG ausgestaltenden Vorschriften kein ausreichender,
wirkungsvoller Schutz vor geschlechtsbezogener Diskriminierung mehr, weil sich
der Arbeitgeber seiner Verantwortung unschwer entziehen könnte. Die Auslegung
der Norm durch das LAG ist daher mit dem Schutzzweck
des Art.3 GG
nicht zu vereinbaren.
(...)
War die vorliegende Stellenausschreibung grundsätzlich geeignet, die Vermutung
für eine Diskriminierung wegen des Geschlechts zu begründen,
so kann es für die Entscheidung des Rechtsstreits
auf die weiteren, vom LAG ausdrücklich offen gelassenen Umstände
ankommen, etwa ob das Stellenbesetzungsverfahren zum Zeitpunkt der Bewerbung
der Bewerberin bereits abgeschlossen war, wie viele Ausbildungsplätze
welcher Art zu besetzen waren und Bewerber welchen Geschlechts letztlich
eingestellt wurden." |
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