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aus den Entscheidungsgründen  
 (zum 1. Leitsatz: Schriftform) |
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"Das Originalkündigungsschreiben ist der Klägerin nicht
i.S.v. § 130 BGB zugegangen. Dies hat zur Konsequenz,
dass die Kündigung wegen Formmangels nach § 623, § 126 Abs.1 BGB unwirksam ist.
Die Kündigung bedarf gemäß § 623 BGB zu ihrer Wirksamkeit
der Schriftform. Sie muss daher gemäß § 126 Abs.1 BGB vom Erklärenden
eigenhändig unterschrieben und – da es sich um eine empfangsbedärftige Willenserklärung
handelt – in dieser Form auch dem Erklärungsempfänger
gemäß § 130 Abs.1 Satz 1 BGB zugehen.
Unzureichend ist dabei der Zugang einer Fotokopie der unterschriebenen Urkunde oder eines Auszuges
aus dem Vertrag. Erforderlich ist vielmehr der Zugang der mit der Originalunterschrift
versehenen Urkunde (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2001, ZMR 2002,35ff.).
Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass eine verkörperte Willenserklärung unter Anwesenden zugeht,
wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt.
Der Zugang ist erfolgt, wenn der Erklärungsempfänger die tatsächliche
Verfügungsgewalt über das die Erklärung enthaltene Schriftstück erlangt hat
(BAG, Beschluss vom 07.01.2004, 2 AZR 388/03,
ZInsO 2005,671; BGH, Urteil vom 21.02.1996, NJW-RR 1996,641 [Niederlegen eines Schriftstücks
auf den gemeinsamen Wohnzimmertisch]), wenn die Erklärung durch Übergabe
in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist (BAG, Urteil
vom 04.12.1986, 2 AZR 33/86, n.v.).
(...)
Auch wenn man den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt zugrunde legt, ist nach Auffassung
der Kammer kein Zugang i.S.v. § 130 Abs.1 BGB gegeben. Denn die Klägerin
erhielt die Verfügungsgewalt über das Originalkündigungsschreiben auch nicht vorübergehend,
sondern musste – selbst ,wenn sie sich an den Schreibtisch gesetzt hätte –
nach den Umständen davon ausgehen, dass das Schreiben auf dem Schreibtisch
des Zeugen D. liegen und damit in der Verfügungsgewalt der Beklagten bleiben sollte und ihr,
der Klägerin, lediglich die Gelegenheit gegeben war, es zu lesen.
Ein solches Erklärungsverhalten der Beklagten (“Angucken ja, Anfassen nein“) stellt
keine Übergabe bzw. Aushändigung und keine Aufgabe der Verfügungsgewalt dar.
Diesem Befund steht nicht entgegen, dass die Arbeitnehmer den Erhalt der Kündigung
auch auf dem Originalschreiben quittieren sollten. Vielmehr geht daraus,
dass die Empfangsbestätigung auf das von der Beklagten zurückgehaltene
Originalschreiben gesetzt werden sollte, verstärkt hervor, dass die Beklagte das Originalschreiben
auch wegen der Dokumentation des Kündigungsausspruchs nicht aus der Hand geben wollte.
Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 04.11.2004
herausgestellt, dass Zugang unter Anwesenden nicht erfordert, dass die Verfügungsgewalt
über das Schriftstück dauerhaft erlangt sein müsse. Indessen gibt das Urteil
nicht das Erfordernis auf, dass das Schriftstück in die Verfügungsgewalt
Herrschaftsbereich des Empfängers gelangen muss. Wenn das Urteil für den Zugang
einer verkörperten Erklärung unter Anwesenden die Aushändigung und Übergabe
des Schriftstücks und den Umstand, dass es überhaupt durch Übergabe
in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt, genügen lässt, dann fehlt es –
anders als in dem vom BAG entschiedenen Fall – vorliegend an einer Aushändigung und Übergabe.
Im selben Sinn hat das BAG im Beschluss
vom 07.01.2004 erkannt, dass unter Anwesenden eine verkörperte Kündigungserklärung
dem Erklärungsempfänger zugeht, wenn das Kündigungsschreiben übergeben,
d.h. in seinen Herrschaftsbereich gelangt ist, wenn der Erklärungsempfänger
die tatsächliche Verfügungsgewalt über das die Erklärung enthaltene Schriftstück
erlangt hat." |
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