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Arbeitsrecht
Kündigung des Arbeitsverhätnisses
Schriftform (§ 623 BGB)
Sozialauswahl (Betriebsbezogenheit)

Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf
Urteil vom 18.04.07
(12 Sa 132/07)


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Leitsätze:
1.  zur Schriftform:
Eine Kündigung ist dem Arbeitnehmer nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform zugegangen, wenn ihm das Kündigungsschreiben lediglich in Kopie übergeben wird. Dass dem Empfänger anlässlich der Übergabe der Kopie das Originalschreiben zur Ansicht und nicht zur Mitnahme vorgelegt wird ("Nur gucken, nicht anfassen"), genügt nicht für die in § 130 Abs.1 BGB präsumierte Erlangung der Verfügungsgewalt.
2.  zur Sozialauswahl:
Der Arbeitgeber kann nicht dadurch, dass er aus Anlass der Stilllegung einer Abteilung diese zum selbstständigen "Betrieb" aufwertet, die kündigungsschutzgesetzliche Privilegierung reklamieren, dass die Sozialauswahl grundsätzlich betriebsbezogen ist und sich auch bei unternehmensweiter Versetzungsklausel nicht auf andere Betriebe erstreckt.
 
 
  
   aus den Entscheidungsgründen   
   (zum 1. Leitsatz: Schriftform)   
  "Das Originalkündigungsschreiben ist der Klägerin nicht i.S.v. § 130 BGB zugegangen. Dies hat zur Konsequenz, dass die Kündigung wegen Formmangels nach § 623, § 126 Abs.1 BGB unwirksam ist.

Die Kündigung bedarf gemäß § 623 BGB zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Sie muss daher gemäß § 126 Abs.1 BGB vom Erklärenden eigenhändig unterschrieben und – da es sich um eine empfangsbedärftige Willenserklärung handelt – in dieser Form auch dem Erklärungsempfänger gemäß § 130 Abs.1 Satz 1 BGB zugehen.

Unzureichend ist dabei der Zugang einer Fotokopie der unterschriebenen Urkunde oder eines Auszuges aus dem Vertrag. Erforderlich ist vielmehr der Zugang der mit der Originalunterschrift versehenen Urkunde (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.03.2001, ZMR 2002,35ff.).

Es entspricht allgemeiner Auffassung, dass eine verkörperte Willenserklärung unter Anwesenden zugeht, wenn sie durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt. Der Zugang ist erfolgt, wenn der Erklärungsempfänger die tatsächliche Verfügungsgewalt über das die Erklärung enthaltene Schriftstück erlangt hat (BAG, Beschluss vom 07.01.2004, 2 AZR 388/03, ZInsO 2005,671; BGH, Urteil vom 21.02.1996, NJW-RR 1996,641 [Niederlegen eines Schriftstücks auf den gemeinsamen Wohnzimmertisch]), wenn die Erklärung durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt ist (BAG, Urteil vom 04.12.1986, 2 AZR 33/86, n.v.).

(...)

Auch wenn man den erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt zugrunde legt, ist nach Auffassung der Kammer kein Zugang i.S.v. § 130 Abs.1 BGB gegeben. Denn die Klägerin erhielt die Verfügungsgewalt über das Originalkündigungsschreiben auch nicht vorübergehend, sondern musste – selbst ,wenn sie sich an den Schreibtisch gesetzt hätte – nach den Umständen davon ausgehen, dass das Schreiben auf dem Schreibtisch des Zeugen D. liegen und damit in der Verfügungsgewalt der Beklagten bleiben sollte und ihr, der Klägerin, lediglich die Gelegenheit gegeben war, es zu lesen. Ein solches Erklärungsverhalten der Beklagten (“Angucken ja, Anfassen nein“) stellt keine Übergabe bzw. Aushändigung und keine Aufgabe der Verfügungsgewalt dar. Diesem Befund steht nicht entgegen, dass die Arbeitnehmer den Erhalt der Kündigung auch auf dem Originalschreiben quittieren sollten. Vielmehr geht daraus, dass die Empfangsbestätigung auf das von der Beklagten zurückgehaltene Originalschreiben gesetzt werden sollte, verstärkt hervor, dass die Beklagte das Originalschreiben auch wegen der Dokumentation des Kündigungsausspruchs nicht aus der Hand geben wollte.

Das Bundesarbeitsgericht hat im Urteil vom 04.11.2004 herausgestellt, dass Zugang unter Anwesenden nicht erfordert, dass die Verfügungsgewalt über das Schriftstück dauerhaft erlangt sein müsse. Indessen gibt das Urteil nicht das Erfordernis auf, dass das Schriftstück in die Verfügungsgewalt Herrschaftsbereich des Empfängers gelangen muss. Wenn das Urteil für den Zugang einer verkörperten Erklärung unter Anwesenden die Aushändigung und Übergabe des Schriftstücks und den Umstand, dass es überhaupt durch Übergabe in den Herrschaftsbereich des Empfängers gelangt, genügen lässt, dann fehlt es – anders als in dem vom BAG entschiedenen Fall – vorliegend an einer Aushändigung und Übergabe. Im selben Sinn hat das BAG im Beschluss vom 07.01.2004 erkannt, dass unter Anwesenden eine verkörperte Kündigungserklärung dem Erklärungsempfänger zugeht, wenn das Kündigungsschreiben übergeben, d.h. in seinen Herrschaftsbereich gelangt ist, wenn der Erklärungsempfänger die tatsächliche Verfügungsgewalt über das die Erklärung enthaltene Schriftstück erlangt hat."
 

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