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Schrottimmobilien

Oberlandesgericht Karlsruhe
Urteil vom 16.05.02
(11 U 10/01)
OLG-Report 2002, 272


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Leitsätze:
1.  Der Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds kann ein (widerrufliches) Haustürgeschäft sein.
2.  Eine notarielle Beurkundung des Beitritts schließt einen Widerruf nicht aus, wenn die Bedingungen des Beitritts zuvor in einem vom Anleger zu unterzeichnenden "Eintrittsantrag" im Einzelnen festgelegt worden waren und der anschließende Notartermin als bloße Formalität ("Durchlauftermin") abgewickelt wird (teleologische Reduktion von § 1 Abs.2 Nr.3 HWiG).
3.  Ist der Fondsbeitritt wegen Widerrufs nach dem HWiG unwirksam, erstreckt sich diese Unwirksamkeit auch auf einen Darlehensvertrag, der mit dem Beitritt eine wirtschaftliche Einheit bildet.
 
 
  
aus den Entscheidungsgründen:
  "Da ein Haustürgeschäft vorliegt, steht den Klägern ein Widerrufsrecht zu. Dieses wird auch nicht durch die notarielle Beurkundung der Vertragserklärungen ausgeschlossen (vgl. § 1 Abs.2 Nr.3 HWiG). Das Widerrufsrecht soll einen situativen Übereilungsschutz gewähren. In den Verhandlungssituationen im Sinne von § 1 Abs.1 Nr.1 HWiG besteht erfahrungsgemäß die Gefahr, dass auf die Willensbildung dessen, der sich in oder aufgrund einer Haustürsituation zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages entschließt, in unzulässiger oder ohne angemessener Weise Einfluss genommen worden ist, also die Gefahr einer mangelhaften Willensbildung (BGHZ 144,223,227). Die gesetzgeberische Entscheidung, dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zu versagen, wenn seine Erklärung notariell beurkundet wurde, beruht auf der Erwägung, dass es in solchen Fällen am Moment der Überraschung und Übervorteilung des Kunden fehlt, weil dessen Interessen durch die Belehrungspflicht des Notars ausreichend geschützt sind. Diese Erwägung trifft jedoch in den Fällen nicht zu, in denen der Verbraucher aufgrund anbieterinitiierter Verhandlungen bereits zum Vertragsschluss bestimmt worden war und die notarielle Beurkundung eine bloße Formalität darstellt (vgl. OLG Stuttgart, WM 1999, 2305 ...)

(...)

Wollte man in einem Fall wie dem vorliegenden die Möglichkeit des Widerrufs wegen der notariellen Beurkundung versagen, würde der vom Haustürwiderrufsgesetz beabsichtigte Verbraucherschutz leerlaufen. Durch einen als abschließende Formalie gestalteten Notartermin könnten die zuvor im einzelnen festgelegten Verhandlungsergebnisse den Schutzvorkehrungen des Haustürwiderrufsgesetzes entzogen werden. Insbesondere bei nicht beurkundungsbedürftigen Rechtsgeschäften muss in einer solchen Verfahrensgestaltung eine unzulässige (§ 5 Abs.1 HWiG) Umgehung der §§ 1, 2 HWiG a.F. gesehen werden. Aber auch bei formpflichtigen Geschäften besteht durchaus die Gefahr, dass der Notartermin auf einen "Durchlauftermin" reduziert wird und nicht seine ihm vom Gesetzgeber zugedachte Warnfunktion erfüllen kann. Deshalb kann hier offenbleiben, ob der Beitritt zum dem Fonds überhaupt - wie die Beklagte meint - der notariellen Beurkundung bedurfte (...).

(...)

Die Ausübung des Widerrufsrechts führt zur endgültigen Unwirksamkeit des Haustürgeschäfts (...). Nach § 3 HWiG ist jeder Teil verpflichtet, dem anderen Teil die empfangenen Leistungen zurückzugewähren. Diese Wirkungen treten zunächst für das widerrufene Geschäft ein. Darüber hinaus entfaltet der Widerruf Rechtswirkungen für den Finanzierungsvertrag. Darlehens- und Beitrittsvertrag bilden eine wirtschaftliche Einheit in dem Sinne, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen abgeschlossen worden wäre. Der Schutzzweck des Haustürwiderrufsgesetzes gebietet es, bei wirtschaftlich einheitlichen Geschäften die Wirkungen des Widerrufs eines Geschäftes auf das andere zu erstrecken. Nur so wird erreicht, dass der Verbraucher in seiner Entscheidung frei und nicht durch die Bindung an das andere Geschäft eingeschränkt ist (BGH, NJW 1996,3416; OLG Stuttgart, WM 1999,2305 und ZIP 2001,322).

(...)

Demgegenüber schulden die Kläger nicht die Rückzahlung des Darlehensbetrages. Das Darlehen wurde nicht an sie, sondern an den Treuhänder des Fonds ausbezahlt. Der von der Widerrufsregelung in § 1 HWiG beabsichtigte Schutz des Verbrauchers lässt sich nur erreichen, wenn dieser nicht befürchten muss, nach dem Widerruf des Haustürgeschäfts dem Rückzahlungsanspruch seines Darlehensgebers ausgesetzt zu sein, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob Rückabwicklungsansprüche gegen den Partner des Anlagegeschäfts wirtschaftlich durchsetzbar sind (BGH, NJW 1996,3416; OLG Stuttgart, WM 1999,2305 und ZIP 2001,322)."
 

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