www.rechtsrat.ws

Arbeitsrecht
Tarifverträge Mindestlohn
Briefdienstleistungen
"Postmindestlohnverordnung"

Ein Tiefschlag für den Mindestlohn!

Oberverwaltungsgericht (OVG)
Berlin-Brandenburg
Urteil vom 18.12.08
(OVG 1 B 13.08)
nicht rechtskräftig


externe Links:
 
Wir wissen nicht, ob die dortigen Inhalte richtig und aktuell sind.

  
   aus der Pressemitteilung:   
  "(...) Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28.12.2007, mit der die Mindestlohnregelungen des am 29.11.2007 zwischen dem mehrheitlich von der Deutschen Post AG und mit ihr verbundenen Unternehmen getragenen Arbeitgeberverband Postdienste e.V. und der Gewerkschaft ver.di (hier fehlt wohl: "abgeschlossenen Tarifvertrages") auf die Briefdienstleistungsbranche erstreckt wurden, sei mit dem Gesetzesvorbehalt nach Art.80 Abs.1 Satz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Die gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs.3a des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes lasse die Erstreckung eines Mindestlohntarifvertrages nur auf tariflich nicht gebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer (sog. Außenseiter) zu. Die konkrete Verordnung sehe jedoch die Bindung für alle 'nicht an ihn', also den nämlichen Tarifvertrag, gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor. Damit werde die gesetzliche Ermächtigung überschritten. Zugleich sei eine im Gesetz bislang nicht enthaltene Regelung für die Konkurrenz mehrerer (Mindestlohn-)Tarifverträge durch Rechtsverordnung getroffen worden, ohne dass dies von der Verordnungsermächtigung im Arbeitnehmer-Entsendegesetz gedeckt sei. Einer solchen Regelung bedürfe es jedoch, wenn andere Arbeitgeber oder andere Koalitionen ebenfalls Mindestlohnvereinbarungen getroffen hätten und zu klären sei, ob die Bindung an solche Vereinbarungen vorrangig sei. Der klagende Arbeitgeberverband hatte sich auf den Abschluss eines solchen konkurrierenden Mindestlohnvertrages mit der am Verfahren beteiligten Gewerkschaft GNBZ berufen. Die Beklagte hatte dagegen eingewandt, dass jene Gewerkschaft nicht tariffähig sei, was inzwischen vom Arbeitsgericht Köln in einem nicht rechtskräftigen Beschluss vom 30.10.2008 auch festgestellt worden sei. Das Oberverwaltungsgericht hat diesem Einwand keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Ob der konkurrierende Tarifvertrag wirksam und die daran beteiligte Gewerkschaft tariffähig sei, sei nicht entscheidungserheblich. (...)"
 
 
  
Leitsätze:
1.  Die Verordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen vom 28.12.2007 (BriefArbbV) verstößt wegen Überschreitung der gesetzlichen Ermächtigung in § 1 Abs.3a Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) gegen den Gesetzesvorbehalt nach Art.80 GG. Bei Erlass der Verordnung ist darüber hinaus gegen die Vorschrift über die Anhörung betroffener Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs.3a Satz 2 AEntG verstoßen worden.
2.  Das Merkmal "nicht tarifgebunden" in § 1 Abs.3a Satz 1 AEntG ist mit Rücksicht auf die Entstehungsgeschichte und den Zweck der Ermächtigung dahin auszulegen, dass es bedeutet "keiner, weder bezüglich des nämlichen noch eines anderen Tarifvertrages, Bindung unterliegend".
3.  Zwischen dem Anhörungserfordernis nach § 1 Abs.3a Satz 2 AEntG und den normativen Regelungen des Tarifvertrages besteht ein unmittelbarer Bezug; die den betroffenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einzuräumende Stellungnahmemöglichkeit muss sich auf die getroffene Tarifvereinbarung beziehen.
4.  Zwischen den vom Mindestlohn betroffenen Arbeitgebern und dem Normgeber besteht kein im Verwaltungsrechtsweg feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Die mit der Verordnung bewirkten Rechtsfolgen für bestehende Arbeitsverhältnisse sind vor den Arbeitsgerichten zu klären, denen es insoweit auch obliegt, die öffentlich-rechtliche Vorfrage der Gültigkeit des einschlägigen Verordnungsrechts zu überprüfen.
5.  Die Feststellungsklage eines Arbeitgeberverbandes, der nach seiner Satzung zum Abschluss von Tarifverträgen für seine Mitglieder befugt ist, ist mit Hinblick auf einen möglichen Eingriff in subjektive öffentliche Rechte (Koalitionsfreiheit und Tarifautonomie, Art.9 Abs.3 GG) im Verwaltungsrechtsweg zulässig, weil ansonsten nur die subsidiäre Verfassungsbeschwerde erhoben werden könnte.
6.  Eine solche Klage (Ls.5) ist auch begründet, wenn die Regelungen der Verordnung den Schutzbereich des Grundrechts aus Art.9 Abs.3 GG betreffen und der Erlass der Verordnung unabhängig von der Zulässigkeit von Einschränkung oder einschränkenden Ausgestaltungen der Koalitionsfreiheit und der Tarifautonomie gegen sonstiges Verfassungs- und Gesetzesrecht verstößt.
 
 
  
   Anmerkung RA Maier:   
  Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 07.03.08 bestätigt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts konnte jedoch nicht überzeugen. Im Einzelnen verweise ich hierzu auf meine Urteilsbesprechung in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ), 2008, S.746 (Heft 7), und meinen Zwischenruf in der Zeitschrift Arbeit und Recht (AuR), 2008, S.387 (Heft 11).

Auch die Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts vom 18.12.08 überzeugt nicht. Die schriftliche Urteilsbegründung liegt inzwischen vor und muss jetzt ausgewertet werden.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Das Bundesarbeitsministerium hat die Revision bereits eingelegt.
Das Urteil ist also nicht rechtskräftig.
 
 

Hintergrund (externe Links):

weitere Infos: