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Begründung zum 2. Justizmodernisierungsgesetz

-->  Gesetzentwurf  (mit Begründung)

B. Einzelbegründung

Artikel 10 Nr.8 (Änderung des § 690 Abs.3 ZPO)

Im Jahr 2004 wurden im Rahmen des automatisierten gerichtlichen Mahnverfahren bundesweit 8,2 Mio. Anträge auf Erlass eines Mahnbescheids eingereicht, davon rund 5,6 Mio. im% Wege des elektronischen Datenaustauschs und rund 2,6 Mio. in Papierform als so genannte Beleganträge. Von den Beleganträgen wurden etwa zwei Drittel (1,7 Mio.) durch Prozessvertreter eingereicht, davon ca.90% (1,5 Mio.) durch Rechtsanwälte und ca.5% (0,1 Mio.) durch Rechtsbeistände.

Die Vorgabe nach § 689 Abs.1 Satz 3 ZPO, dass bei einer maschinellen Bearbeitung Eingänge spätestens an dem Arbeitstag erledigt sein sollen, der dem Tag des Eingangs folgt, kann bei Beleganträgen wegen der hier notwendigen Datenerfassung regelmäßig nicht eingehalten werden. Die Erfassung erfolgt überwiegend über Scanner mit manueller Nachbearbeitung, zum Teil auch durch manuelle Dateneingabe. Außerdem ist bei Beleganträgen die durchschnittliche Datenqualität deutlich schlechter als bei im Wege des elektronischen Datenaustauschs übermittelten Anträgen, u.a. deshalb, weil es bei Belegverfahren auf Seiten der Antragsteller kaum automatisierte Plausibilitätskontrollen durch Mahnsoftware gibt. Monierungen ziehen aber einen erhöhten Bearbeitungsaufwand und zusätzlich Sachkosten nach sich. Eine Reduzierung der Belegquote würde also in zweifacher Hinsicht zu einer Verfahrensverkürzung führen. Zudem würe dies im Hinblick auf das übergeordnete Ziel, den elektronischen Rechtsverkehr in allen Verfahrensarten zu fördern, erstrebenswert.

Es ist nicht zu erwarten, dass es ohne gesetzgeberische Maßnahmen in absehbarer Zeit zu einer spürbaren Reduzierung der Beleganträge käme. Trotz intensiver Informationsarbeit seitens der Justiz konnte die bundesdurchschnittliche Quote der Antragstellungen im Wege des elektronischen Datenaustauschs im Jahr 2004 gegenüber dem Vorjahr lediglich um 0,13 Prozentpunkte - von 68,07% auf 68,2% - gesteigert werden. Es erscheint daher sachgerecht, die Einreichung eines Mahnantrags in maschinell lesbarer Form für Rechtsanwälte verbindlich vorzuschreiben. Dies wird zu einer Reduzierung der Anzahl der Beleganträge von derzeit 2,6 Mio. auf künftig etwa 1,1 Mio. führen. Da mit den Rechtsanwälten die Hauptgruppe der berufsmäßigen Prozessvertreter erfasst ist, wird sich dies auch positiv auf die Infrastruktur für den allgemeinen elektronischen Rechtsverkehr auswirken.

Der Entwurf sieht davon ab, auch Rechtsbeistände zu erfassen. Die Anzahl der von den Rechtsbeiständen im Jahr 2004 eingereichten Beleganträge fällt nicht nennenswert ins Gewicht (0,1 Mio. im Vergleich zu 1,5 Mio. von den Rechtsanwälten eingereichten Beleganträgen). Aufgrund des Umstands, dass der Rechtsbeistandsberuf im Jahre 1980 geschlossen wurde, wird sich diese Zahl in den nächsten Jahren weiter reduzieren. Ein dringendes Bedürfnis, auch die Rechtsbeistände künftig zur Antragstellung in maschinell lesbarer Form zu verpflichten, besteht danach nicht.

Für Rechtsanwälte hingegen soll die Verpflichtung zur elektronischen Antragstellung auch dann gelten, wenn sie - ausnahmsweise - in eigener Sache t&auuml;tig werden. Es macht auch im Hinblick auf die Erstattung der Gebühren und Auslagen keinen Unterschied, ob der Anwalt sich selbst oder einen Mandanten vertritt (§ 91 Abs.2 Satz 3 ZPO). Der Rechtsanwalt in eigener Sache wird im Ergebnis so gestellt, als wäre er gegen Entgelt tätig geworden. In Anbetracht dessen wäre es nicht gerechtfertigt, ihn von den Verpflichtungen seiner Berufsgruppe freizustellen. Hinzu kommt, dass anderenfalls die Gefahr bestünde, dass die Verpflichtung zur elektronischen Antragstellung durch Inkassoabtretungen umgangen wird.

Die vorgeschlagene Neufassung des § 690 Abs.3 ZPO verzichtet auf eine Härteklausel für besondere Fälle. Sie wäre in einem automatisierten Mahnverfahren nicht praktikabel. Zudem ist davon auszugehen, dass bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung (vgl. Artikel 27) das so genannte Barcodeverfahren entwickelt und überall einsetzbar sein wird. Bei diesem Verfahren wird mit Hilfe eines Internet-Formulars ein elektronischer Datensatz erstellt, im Barcodeformat auf Standardpapier ausgedruckt, unterschrieben und per Post an das zuständige Mahngericht übermittelt. Auch hierbei handelt es sich um einen Antrag in maschinell lesbarer Form im Sinne des § 690 Abs.3 ZPO-E. Die Daten werden vom Gericht über Scanner (ohne manuelle Nachbearbeitung) erfasst, in das Host-Verfahren eingespielt und weitgehend automatisiert bearbeitet. Der Antragsteller benötigt für die Antragstellung nur einen PC mit Internetanschluss und einen Drucker. Beides wird regelmäßig vorhanden sein; notfalls stehen öffentliche Nutzerplätze zur Verfügung. Rechtsanwälte würden also nicht zur Anschaffung einer Signaturkarte mit Lesegeräte gezwungen, sondern könnten auf diese Form des elektronischen Datenaustauschs ausweichen.

Darüber hinaus werden etwaige Härten im Einzelfall auch durch das zeitlich verzögerte Inkrafttreten der Regelung abgemildert; der Zeitraum von zwei Jahren bis zum Inkrafttreten der Gesetzesänderung stellt eine angemessene Übergangsregelung dar (vgl. die Ausführungen zu Artikel 27).

 
Artikel 27 (Inkrafttreten des § 690 Abs.3 ZPO zum 01.12.2008)

Die Verpflichtung zur Antragstellung in maschinell lesbarer Form im Mahnverfahren (Artikel 10 Nr.8) soll erst nach zwei Jahren in Kraft treten. Damit wird sichergestellt, dass sich die Rechtsanwälte auf die neue Rechtslage einstellen und die für ihre jeweilige berufliche Situation angemessenen Dispositionen treffen können.



Rechtsanwalt Arne Maier, Am Kronenhof 2, 73728 Esslingen