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aus der Pressemitteilung: |
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"Das Arbeitsgericht Hamburg hat die Arbeitgeberin zur Zahlung einer Entschädigung
gemäß § 15 Abs.2 AGG in Höhe von
3 Monatsverdiensten verurteilt, weil sie die Bewerberin im Einstellungsverfahren wegen ihrer Religion benachteiligt habe.
Der beklagte Arbeitgeber ist der für Hamburg zuständige Landesverband des Diakonischen Werkes. Er hatte eine aus Mitteln
des Bundes und der EU fremdfinanzierte Stelle für eine Sozialpädagogin / einen Sozialpädagogen
in einem Teilprojekt 'Integrationlotse Hamburg' ausgeschrieben. In der Stellenanzeige heißt es: 'Dieses Projekt
ist ein Schulungs- und Informationsangebot für Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Bereich der beruflichen Integration
von erwachsenen Migrantinnen und Migranten'. Als diakonische Einrichtung setze er die Zugehörigkeit zu einer
christlichen Kirche voraus.
Auf diese Stellenanzeige bewarb sich die klagende Arbeitnehmerin. Sie ist Deutsche türkischer Herkunft und gehört keiner
christlichen Kirche an. Auf Nachfrage des Arbeitgebers teilte die Arbeitnehmerin mit, sie sei gebürtige Muslimin,
praktiziere aber keine Religion. Auf die Frage, ob sie sich den Eintritt in die Kirche vorstellen
könne, teilte sie mit, sie halte dies nicht für nötig, da die Stelle keinen religiösen
Bezug aufweise.
Der Arbeitgeber lehnte die Bewerberin ab. Die Arbeitnehmerin fühlt sich dadurch wegen ihrer Religion sowie mittelbar
wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt und nimmt den Arbeitgeber auf Entschädigungszahlung in Anspruch.
Dies lehnt der Arbeitgeber ab und begründet dies damit, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion
gemäß § 9 Abs.1 AGG zulässig sei,
weil die christliche Religion unter Beachtung seines Selbstverständnisses sowohl im Hinblick auf sein
Selbstbestimmungsrecht als auch nach Art der Tätigkeit eine gerechtfertigte berufliche Anforderung
für die Mitarbeit im Diakonischen Werk darstelle.
Dieser Argumentation folgt die 20. Kammer des Arbeitsgerichts Hamburg im Ergebnis nicht und führt in den Urteilsgründen
in den Kernsätzen Folgendes aus:
§ 9 Abs.1 AGG sei richtlinienkonform
(Art.4 Abs.2 RL 2000/78/EG) auszulegen.
Bei richtlinienkonformer Auslegung sei das Selbstverständnis einer Religionsgemeinschaft kein absoluter und abschließender
Maßstab für eine unterschiedliche Behandlung. Vielmehr dürfe für die konkrete Tätigkeit
das Selbstverständnis der Kirche nur dann eine entscheidenden Rolle spielen, wenn diese dazu in einer
direkten Beziehung stehe, was nicht für jegliche Tätigkeit bei der Kirche, sondern nur für den
sog. verkündungsnahen Bereich anzunehmen sei.
Das verfassungsrechtlich garantierte kirchliche Selbstbestimmungsrecht berechtige den kirchlichen Arbeitgeber nicht, die Einstellung
für Tätigkeiten im verkündungsfernen Bereich von der Kirchenzugehörigkeit abhängig
zu machen. Dem sei die ausgeschriebene Stelle zuzurechnen.
Auch nach Art der Tätigkeit sei für die Stelle die Kirchenzugehörigkeit keine gerechtfertigte Anforderung.
(...)
Gegen dieses Urteil ist für die unterlegene Arbeitgeberin das Rechtsmittel der Berufung zum Landesarbeitsgericht Hamburg
gegeben." |
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