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Begründung zum 2. Justizmodernisierungsgesetz

-->  Gesetzentwurf  (mit Begründung)

B. Einzelbegründung

Artikel 9 Nr.1 (Änderung des § 26 EGZPO)

zu Nummer 1a - § 26 Nr.8 EGZPO

Die Übergangsregelung zur ZPO-Reform in § 26 Nr.8 Satz 1 EGZPO sieht vor, dass die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO bis zum 31.12.2006 nur bei Beschwerdewerten von mehr als 20.000 Euro eröffnet ist. Die Regelung hat sich bewährt: Die Statistik des Bundesgerichtshofs für das Jahr 2005 belegt, dass dessen Gesamtbelastung inzwischen auf ein erträgliches Maß gesunken ist.

 
mein Kommentar:

Es ist kaum zu glauben! Da wird die Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH für alle Verfahren bis 20.000 Euro ausgeschlossen und dieser Ausschluss soll sich dann deshalb "bewährt" haben, weil dadurch weniger Verfahren bis zum BGH gelangt sind. Dann schafft die Nichtzulassungsbeschwerde doch einfach ganz ab! Dies würde die Gesamtbelastung des BGH zweifellos erheblich senken.
 

Die Belastung des Bundesgerichtshofs hatte im Jahr 2002 mit 4.595 neu eingegangenen Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden ihren Höhepunkt erreicht. In den nachfolgenden Jahren sank die Anzahl der eingegangenen Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden kontinuierlich, bis sie im Jahr 2005 mit 3.233 Neueingängen deutlich unter der Belastungsspitze des Jahres 2002 lag und auch die Eingangszahlen vor Inkrafttreten der ZPO-Reform unterschritt. Bei zusätzlicher Berücksichtigung der Rechtsbeschwerden und ähnlicher Verfahren erhöht sich die Zahl der Neueingänge des Jahres 2005 allerdings auf 4.702. Dabei fällt zusätzlich ins Gewicht, dass Rechtsbeschwerden häufig einen beträchtlichen Arbeitsaufwand verursachen, der demjenigen von Nichtzulassungsbeschwerden nicht nachsteht, sondern ihn oft genug sogar deutlich übersteigt.

Die Belastungssituation des Bundesgerichtshofs ist danach zwar immer noch angespannt, hält sich aber in erträglichen Grenzen, was vor allem der Übergangsregelung in § 26 Nr.8 EGZPO zu verdanken ist.

 
mein Kommentar:

Danke schön! Auch im Namen all derjenigen Betroffenen, denen die Überprüfung falscher Urteile dank der Übergangsregelung verwehrt geblieben ist.
 

Dies verdeutlicht bereits der Blick auf den durchschnittlichen Streitwert der landgerichtlichen Berufungsverfahren, der im Jahr 2003 bei (nur) 3.441 Euro lag. Von der Gesamtzahl der durch streitiges Urteil erledigten Berufungen (29.339) waren 2.092 infolge Zulassung mit der Revision anfechtbar. Der ganz überwiegende Anteil der verbleibenden 27.247 landgerichtlichen Berufungsurteile kam wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts von vornherein nicht für eine Nichtzulassungsbeschwerde in Betracht.

 
mein Kommentar:

Da kommt Freude auf! Es soll anscheinend gar nicht darauf ankommen, wieviele dieser Berufungsurteile durch den BGH aufgehoben worden wären.
 

Bei den Berufungsverfahren vor den Oberlandesgerichten erreichen wegen der deutlich höheren Streitwerte zwar wesentlich mehr Urteile den Beschwerdewert von 20.000 Euro. Jedoch sind auch hier infolge der Wertgrenze des § 26 Nr.8 EGZPO ungefähr die Hälfte aller 20.577 streitigen Urteile (2003) von der Nichtzulassungsbeschwerde ausgeschlossen. Insgesamt kann deshalb davon ausgegangen werden, dass es ohne die Beschränkung nach § 26 Nr.8 EGZPO zu einer deutlich höheren Belastung des Bundesgerichtshofs gekommen wäre.

 
mein Kommentar:

Man füge hinzu: ... und zu einer deutlich höheren Belastung der Berufungsgerichte wegen Aufhebung ihrer Urteile durch den BGH.
 

Unter Berücksichtigung der zurzeit noch angespannten Belastungssituation bei dem Bundesgerichtshof einerseits und der dargestellten hypothetischen Entwicklung ohne die Übergangsregelung in § 26 Nr.8 EGZPO andererseits erscheint deren Wegfall zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vertretbar. Vielmehr sollte die Entwicklung für einen weiteren Zeitraum von fünf Jahren beobachtet werden.
 

B. Einzelbegründung

Artikel 9 Nr.1 (Änderung des § 26 EGZPO)

zu Nummer 1b - § 26 Nr.9 EGZPO

§ 26 Nr.9 Satz 1 EGZPO schließt bis zum 31.12.2006 die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde in Familiensachen aus. Auch mit dieser Übergangsregelung wollte der Gesetzgeber der ZPO-Reform einer möglichen Überlastung des Bundesgerichtshofs vorbeugen.

Die Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - auf der Grundlage des vom Bundesministerium der Justiz im Februar 2006 vorgelegten Gesetzentwurfs (Artikel 1: FamFG-E) - soll dazu führen, dass stets eine Entscheidung durch Beschluss erfolgt (§ 38 FamFG-E), gegen den unter den Voraussetzungen des § 73 FamFG-E die Rechtsbeschwerde eröffnet sein wird. Durch diese Umstellung wird die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO, die nur gegen Berufungsurteile eröffnet ist, entfallen. Es erscheint nicht sinnvoll, die Nichtzulassungsbeschwerde gegen Berufungsurteile in Familiensachen für den kurzen Zeitraum vom 01.01.2007 bis zum Inkrafttreten des FamFG zu eröffnen. Dies wäre zudem in Anbetracht der oben (Nummer 1) dargestellten Belastungssituation des Bundesgerichtshofs kaum vertretbar. Schließlich würde eine solche Interimslösung der mit § 73 FamFG-E vorgenommenen Wertung widersprechen.



Rechtsanwalt Arne Maier, Am Kronenhof 2, 73728 Esslingen