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Begründung zum Justizmodernisierungsgesetz

-->  Gesetzentwurf  (mit Begründung)

B. Einzelbegründung

Artikel 1 (Änderung der Zivilprozessordnung)

zu Nummer 9 - § 284

Durch die Ergänzung soll dem Gericht die Möglichkeit eröffnet werden, im Einvernehmen beider Parteien bei der Aufnahme der Beweise von den Strengbeweisregeln abzusehen, um Verfahrensabläufe zu vereinfachen und den Prozess zu beschleunigen. Zum einen entfällt dadurch die Beschränkung auf die gesetzlichen Beweismittel in Titel 6 - 10 des Abschnitts 1 im Buch 2. Zum anderen kann insbesondere der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme im Einvernehmen der Parteien in geeigneten Fällen außer Kraft gesetzt werden. Wenn beispielsweise in der Erörterung über das Ergebnis der Beweisaufnahme weiterer Beweiserhebungsbedarf entsteht, kann die sofortige telefonische Befragung eines Zeugen oder Sachverständigen möglicherweise einen erneuten Verhandlungstermin entbehrlich machen. Auch die e-mail-Befragung eines Zeugen oder Sachverständigen kann sehr schnell und effizient sein. Das Einverständnis muss sich nicht auf die gesamte Beweisaufnahme beziehen; es kann auf einzelne Beweiserhebungen beschränkt werden. Das Beweismaß bleibt durch den Wechsel vom Streng- auf den Freibeweis unberührt.

Durch die Ergänzung werden die prozessualen Gestaltungsrechte der Parteien gestärkt. Gleichartige Flexibilisierungen des Prozessrechts sind im Bereich der Zurückverweisung (§ 538 Abs.2) und im Bereich des Einzelrichters (§ 348 Abs.3 Satz 1 Nr.3) bereits durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I 2001  S.1881,1887) eingeführt worden. Der Zivilprozess wird dadurch noch stärker der Parteiherrschaft unterworfen, was die  Verfahrensakzeptanz fördert.

Zwar sieht § 295 Abs.1 bereits jetzt die Heilung von Verfahrensmängeln bei Verzicht auf Verfahrensrügen vor. Dies gilt beispielsweise auch für den Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit bei der Beweisaufnahme. Durch die Ergänzung werden jedoch Verfahrenserleichterungen durch Freibeweis im Einvernehmen beider Parteien vom Odium der Verfahrensverletzung befreit, auf eine solide rechtliche Grundlage gestellt und den Verfahrensbeteiligten als gleichwertige Option zum Strengbeweis angeboten.
 
 

Rechtsanwalt Arne Maier, Am Kronenhof 2, 73728 Esslingen