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Anmerkungen: |
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Vorab ist festzustellen, dass die Schlussanträge
des Generalanwalts für das Gericht nicht bindend sind.
Es handelt sich dabei nur um einen Entscheidungsvorschlag.
In der Praxis folgt der EuGH diesem Vorschlag aber häufig
ganz oder in großen Teilen.
Das Landgericht Bochum hatte dem EuGH 4 Fragen vorgelegt.
Diese Fragen lauten - stark verkürzt - wie folgt:
Ist es mit der Richtlinie 85/577/EWG vereinbar,
wenn nach deutschem Recht bzw. deutscher Rechtsprechung
1. | der Immobilienkauf nicht widerrufen werden kann? |
2. | der Immobilienkauf nach Widerruf des Darlehensvertrages
wirksam bleibt? |
3. | der Verbraucher nach Widerruf des Darlehenvertrages
das Darlehen zurückzahlen muss? |
4. | der Verbraucher nach Widerruf des Darlehenvertrages
das Darlehen sofort und mit Zinsen zurückzahlen muss? |
Der Generalanwalt geht zunächst davon aus, dass die gesamte Vorlage
unzulässig sei, weil das Landgericht Bochum noch nicht
geklärt hat, ob im dortigen Fall überhaupt eine
Haustürsituation vorlag. Nur dann seien die Fragen für
die Entscheidung des Falles erheblich. Eine Vorlage an den EuGH
sei unzulässig, solange diese Erheblichkeit nicht geklärt sei.
Das Landgericht Bochum argumentiert dagegen, dass eine Beweisaufnahme
zur Haustürsituation entbehrlich sei, wenn die dortigen Kläger
das Darlehen auch dann zurückbezahlen müssten.
Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit nimmt der Generalanwalt
zu den Vorlagefragen (hilfsweise) wie folgt Stellung:
zur 1. Frage: Es ist mit der Richtlinie vereinbar, wenn der Immobilienkauf
nicht widerrufen werden kann.
Dieses Ergebnis ist nicht überraschend. In der Richtlinie steht ausdrücklich,
dass die Richtlinie nicht für Immobilienkäufe gilt.
Diese 1. Frage war wohl mehr 'zum aufwärmen' gedacht.
zur 2. Frage: Es ist mit der Richtlinie vereinbar, wenn der Immobilienkauf
nach Widerruf des Darlehens wirksam bleibt.
Der Generalanwalt verweist hierzu auf Art. 7 der Richtlinie, wonach sich die Rechtsfolgen
des Widerrufs nach nationalem Recht regeln.
Es geht hier um die Frage des sog. Einwendungsdurchgriffs bei einem verbundenen Geschäft.
Der XI. Zivilsenat des BGH beharrt darauf, dass beim fremdfinanzierten
Immobilienkauf kein verbundenes Geschäft vorliege (Darlehensvertrag / Kaufvertrag).
Diese Frage ist unter deutschen Gerichten und auch zwischen den
BGH-Senaten
äußerst umstritten, es handelt sich hier aber wohl
um ein nationales Problem, das über die europäische
Richtlinie nicht zu lösen sein wird. Der EuGH kann und darf nicht
umfassend beurteilen, ob die nationale Rechtsprechung
'richtig' ist; beim EuGH geht es nur darum, ob die deutsche
Rechtslage mit den Vorgaben des europäischen Rechts vereinbar ist.
zur 3. und 4. Frage:
Hinsichtlich dieser Vereinbarkeit der deutschen Rechtslage mit den Vorgaben
des europäischen Rechts würde es erst bei den Fragen
3 und 4 richtig 'spannend'. Der XI. Zivilsenat des BGH
hat nämlich schon selbst erkannt, dass nach seiner Rechtsprechung der Verbraucher
nach einem Widerruf des Darlehensvertrages schlechter steht als zuvor,
weil er nach dem Widerruf das Darlehen, das bisher in Raten
zu tilgen war, sofort und auf einen Schlag zurückbezahlen muss.
Diese Rechtsfolge verstößt offensichtlich gegen die Richtlinie,
weil der Verbraucher hierdurch davon abgehalten wird, von seinem Widerrufsrecht
überhaupt Gebrauch zu machen. Wenn aber die Rechtsfolgen des Widerrufs
dessen Ausübung im Ergebnis unmöglich machen, dann werden
damit eben nicht mehr nur diese Rechtsfolgen geregelt (Art. 7 der Richtlinie),
sondern es wird direkt in das Widerrufsrecht eingegriffen.
So wäre es z.B. mit der Richtlinie auch nicht vereinbar, wenn der nationale
Gesetzgeber die Rechtsfolgen des Widerrufs dahin regeln würde,
dass der Verbraucher nach dem Widerruf für einige Tage in Haft
zu nehmen sei.
Dann stellt sich im nächsten Schritt die Frage, wie dieser Widerspruch
aufzulösen ist. Die 'kleine Lösung' wäre, den Verbraucher
nach dem Widerruf zumindest so zu stellen, wie er vor dem
Widerruf stand, d.h. weiterhin Rückzahlung in Raten. Es sind aber auch
'größere Lösungen' denkbar. Die Verpflichtung des Verbrauchers
zur Rückzahlung des Darlehens nach Widerruf des Darlehensvertrages
ergibt sich aus der deutschen Regelung, dass nach dem Widerruf 'die empfangenen Leistungen
zurückzugewähren sind'. In vielen Schrottimmobilien-Fällen stellt sich
aber die Frage, ob der Verbraucher das Darlehen überhaupt
'empfangen' hat. Mit guten Gründen lässt sich argumentieren,
dass nicht der Verbraucher, sondern der Verkäufer
das Darlehen und der Verbraucher stattdessen die Immobilie 'empfangen' hat.
Hierzu verweisen wir z.B. auf die Stellungnahme der EU-Kommission in diesem Verfahren.
Bedauerlicherweise äußert sich der Generalanwalt zu diesen Fragen
3 und 4 nicht; hier hat er einen weiteren Unzulässigkeitsgrund ausgemacht:
das Landgericht Bochum habe in seinem Vorlagebeschluss nicht hinreichend
begründet, warum diese Fragen erheblich seien. Diese Gründe würden
sich erst bei der Lektüre des Vorlagebeschusses des OLG Bremen erschließen.
In diesem Zusammenhang verweist der Generalanwalt auf das
EuGH-Urteil
'Travel Vac', wonach 'die Richtlinie einem Vertrag entgegenstehe,
nach dem der Verbraucher nur deshalb, weil er seinen Rücktritt
erklärt habe, einen pauschalen Schadensersatzbetrag bezahlen müsse'
(Stichwort: der Verbraucher darf durch die Rechtsfolgen des Widerrufs nicht von der
Ausübung des Widerrufs abgehalten werden).
Wie geht es weiter?
Es ist nicht auszuschließen, dass der EuGH dem Generalanwalt
in der Einschätzung folgen wird, dass die gesamte
Vorlage unzulässig sei, weil die Haustürsituation noch nicht geklärt ist.
Wenn der EuGH die Vorlage aber als zulässig behandelt,
dann ist davon auszugehen, dass er auch die Fragen 3 und 4
beantworten wird. M.E. steht die vom Generalanwalt vermisste Begründung
dieser Fragen unter Gliederungsziffer C.3. (S.13f) des Vorlagebeschlusses. Andernfalls wird,
wie zu hoffen ist, in dem EuGH-Verfahren C-229/04 eine Klärung erfolgen.
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