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Arbeitsrecht
Ausschlussfrist im Arbeitsvertrag

Bundesarbeitsgericht (BAG)
Urteil vom 01.03.06
(5 AZR 511/05)


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Leitsatz:
  Eine Klausel, die für den Beginn der Ausschlussfrist nicht die Fälligkeit der Ansprüche berücksichtigt, sondern allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 BGB unwirksam.
 
 
  
   aus den Entscheidungsgründen:   
  "Der Vergütungsanspruch des Klägers ist nicht verfallen.
Die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist ist unwirksam.

1. In Formulararbeitsverträgen können Ausschlussfristen vereinbart werden (Senat, 28.09.2005, 25.05.2005, BAG, 02.03.2004). Die §§ 305ff BGB enthalten keine Bestimmungen, die Ausschlussfristen generell für unwirksam erklären.

2. Die zwischen den Parteien vereinbarte Ausschlussklausel unterliegt der Inhaltskontrolle gemäß §§ 307 bis 309 BGB. Die Ausschlussfrist stellt eine von Rechtsvorschriften abweichende Regelung (§ 307 Abs.3 Satz 1 BGB) dar; denn gesetzlich bleiben Ansprüche abgesehen von einer Verwirkung (§ 242 BGB) erhalten und sind nur im Rahmen des Verjährungsrechts geltend zu machen. Die Klausel entspricht auch nicht einer tariflichen Bestimmung oder anderen Norm i.S.d. (§ 310 Abs.4 Satz 3 BGB, die auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unmittelbar Anwendung finden kann (Senat, 28.09.2005).

3. Die vereinbarte Ausschlussfrist ist gemäß § 307 Abs.2 Nr.1, § 307 Abs.1 Satz 1 BGB unwirksam. In § 10 des Arbeitsvertrags wird für den Beginn der Ausschlussfrist allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgestellt. Ob die Ansprüche zu diesem Zeitpunkt erkennbar und durchsetzbar sind, ist nach der vereinbarten Klausel unerheblich. Das ist mit dem in § 199 Abs.1 Nr.2 BGB zum Ausdruck kommenden Grundgedanken unvereinbar, wonach für den Beginn der Verjährungsfrist Voraussetzung ist, dass der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Der Wertung des § 199 Abs.1 Nr.2 BGB ist in Ausschlussfristen dadurch Rechnung zu tragen, dass für den Fristbeginn die 'Fälligkeit' der Ansprüche maßgebend ist (vgl. BAG, 18.11.2004). Der Begriff der Fälligkeit wird dabei von den Gerichten für Arbeitssachen unter Einbeziehung des Kenntnisstandes des Gläubigers und subjektiver Zurechnungsgesichtspunkte interessengerecht ausgelegt (vgl. Senat, 09.02.2005). Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne der Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann (Senat, 28.09.2005). Fälligkeit in diesem Sinne liegt nicht vor, wenn es dem Gläubiger praktisch unmöglich ist, den Anspruch mit seinem Entstehen geltend zu machen. Das ist insbesondere der Fall, wenn die rechtsbegründenden Tatsachen in der Sphäre des Schuldners liegen und der Gläubiger es nicht durch schuldhaftes Zögern versäumt hat, sich Kenntnis von den Voraussetzungen zu verschaffen, die er für die Geltendmachung benötigt (BAG, 19.02.2004). Eine Klausel, die für den Beginn der Ausschlussfrist nicht die Fälligkeit der Ansprüche berücksichtigt, sondern allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen und ist deshalb gemäß § 307 Abs.1 Satz 1 BGB unwirksam.

4. Die Unwirksamkeit der Ausschlussklausel führt zu ihrem ersatzlosen Wegfall bei Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrags im Übrigen (§ 306 Abs.1 und 2 BGB). Eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus. Sie setzt voraus, dass die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften und das Unterbleiben der Ergänzung des Vertrags keine angemessene, den typischen Interessen der Vertragsparteien Rechnung tragende Lösung bietet (BAG, 12.01.2005). Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Unwirksamkeit der beanstandeten Klausel lässt den Regelungsplan der Parteien nicht als vervollständigungsbedürftig erscheinen. Bei Wegfall der Ausschlussfrist greifen mangels gesetzlicher oder richterrechtlicher Regelungen zu Ausschlussfristen allein die Verjährungsregeln der §§ 195ff BGB ein, die einen dem Regelungsgedanken der Ausschlussfristen vergleichbaren hinreichenden Interessenausgleich bieten. Besonderheiten bei Altverträgen kommen nicht zum Tragen, denn es handelt sich um einen nach dem 31.12.2001 abgeschlossenen Arbeitsvertrag."
 

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