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aus den Entscheidungsgründen: |
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"Die Klägerin hat den Aufhebungsvertrag nicht
wirksam widerrufen. Denn die Vorschriften der §§ 312 Abs. 1 Satz 1, 355 BGB n.F. finden auf den streitgegenständlichen
Aufhebungsvertrag keine Anwendung.
a) Der im Jahre 2002 geschlossene Aufhebungsvertrag unterfällt nach
Art. 229 § 5 EGBGB nicht den Vorschriften
des BGB in der ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung.
Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB regelt, dass auf
Schuldverhältnisse, die vor dem 01.01.2002 enstanden sind,
das BGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung
anzuwenden ist. Satz 2 enthält eine Sonderregelung
für Dauerschuldverhältnisse; danach gilt
das neue Schuldrecht für Dauerschuldverhältnisse,
die vor dem 01.01.2002 entstanden sind, erst ab dem 01.01.2003.
Für "Altverträge" gilt daher bis zum 31.12.2002 das BGB
in der alten Fassung.
Maßgeblich ist nach Art. 229 § 5 EGBGB damit die Entstehung
des Schuldverhältnisses. Das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis
ist vor dem 01.01.2002 entstanden. Da es sich um ein Dauerschuldverhältnis
handelt, gilt das alte Recht nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB für das
Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2002 im Ganzen, d.h. für seine
Durchführung und seine Beendigung (...). Durch den Aufhebungsvertrag wird
ein Schuldverhältnis nicht begründet, sondern beendet.
b) Unabhängig von Art. 229 § 5 EGBGB stand der Klägerin
ein Widerrufsrecht nicht zu, weil §§ 312, 355 BGB n.F. auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge
grundsätzlich nicht anwendbar sind.
Das ergibt sich aus Wortlaut, Systematik sowie Entstehungsgeschichte der Vorschrift.
§ 312
Abs. 1 Satz 1 BGB setzt als Gegenstand des Haustürgeschäfts
eine Entgeltleistung voraus.
Durch den Vertrag muss also mindestens eine Schuld des Verbrauchers
begründet werden, wobei dahinstehen kann, ob es sich hierbei um einen
gegenseitigen Vertrag handeln muss (...). Durch den Aufhebungsvertrag
als solchen wird jedoch eine Schuld des Arbeitnehmers nicht begründet;
vielmehr handelt es sich um einen Verfügungsvertrag (...), auf den nach
der bisherigen Rechtslage das Haustürwiderrufsgesetz nicht anwendbar war (...).
Nach dem Wortlaut reicht es nicht aus, dass der Arbeitnehmer eine
Rechtsposition aufgibt, da hierdurch kein Anspruch des Arbeitgebers
begründet wird.
Ob dem Arbeitnehmer eine Abfindung zugesagt wird, ist für die Frage
der Entgeltlichkeit unerheblich, da es bei richtlinienkonformer Auslegung
des § 312 BGB
nur darauf ankommt, ob sich der Verbraucher zu einer entgeltlichen
Leistung verpflichtet (...).
Demgegenüber ist im Entscheidungsfall nicht von Bedeutung, dass in
§ 312
Abs. 1 Satz 1 BGB die mündliche Verhandlung am Arbeitsplatz
des Verbrauchers als Haustürsituation definiert wird.
Die in den Ziff. 1 bis 3 der genannten Vorschrift
genannten Situationen beschreiben nur das Räumliche Umfeld, durch das
der im Eingangssatz der Vorschrift vorausgesetzte Vertrag zum Haustürgeschäft
wird. Die Rechtsfolge des § 312 BGB - Widerrufsrecht - entsteht aber erst dann,
wenn auch das im Eingangssatz genannte Tatbestandsmerkmal - Vertrag, der eine
entgeltliche Leistung zum Gegenstand hat - erfüllt ist.
Die Systematik des § 312 BGB spricht deutlich dafür, dass Aufhebungsverträge
unabhängig vom Ort des Vertragsschlusses keine Haustürgeschäfte
sind.
§ 312 steht
im Abschnitt 3 Titel 1 Untertitel 2 des 2.Buches des BGB. Dieser Untertitel
ist überschrieben mit: "Besodere Vertriebsformen".
Dass diese Überschrift ernst gemeint ist, ergibt sich daraus,
dass neben dem Haustürgeschäft in diesem Untertitel auch
der Fernabsatzvertrag und der elektronische Geschäftsverkehr geregelt sind.
Weiterhin ist der amtliche Hinweis von Bedeutung, dass dieser Untertitel
der Richtlinie 85/577/EWG
betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb
von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen diene.
Aus dem Wortlaut der Richtlinie folgt, dass unter sie nur Verbindlichkeiten
fallen, die ein Verbraucher im Rahmen eines Haustürgeschäfts
gegenüber einem Gewerbetreibenden aks Gegenleistung für Waren oder
Dienstleistungen eingeht (...). Dem Gesetz lassen sich keine
Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung
dieser Richtlinie über der Anwendungsbereich hinaus arbeitsrechtliche
Aufhebungsverträge dem Widerrufsrecht unterstellen wollte.
Auch der Blick auf die §§ 305ff BGB n.F. zeigt, dass arbeitrechtliche Aufhebungsverträge nach
dem Willen des Gesetzgebers keine Haustürgeschäfte i.S.d.
§ 312 BGB
sein sollen.
Der Gesetzgeber hat bei der Schuldrechtsnovelle das Problem der Einbeziehung
arbeitsvertraglicher Vereinbarungen in das allgemeine Verbraucherschutzrecht
durchaus erkannt. Mit § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB hat er -
in Abänderung der bisherigen Rechtslage - bestimmt,
dass grundsätzlich Arbeitsverträge der gerichtlichen Vertragsinhaltskontrolle
nach den Maßstäben der §§ 305ff BGB unterliegen. Für den zweiten
Untertitel "Besondere Vertriebsformen" hat der Gesetzgeber hingegen die Anwendbarkeit
auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nicht vorgesehen.
Schließlich spricht die über das BGB hinausgreifende systematische Betrachtung
eher für den Willen des Gesetzgebers, Aufhebungsverträge nicht den
§§ 312,
355 BGB zu unterstellen.
Ein gemäß § 355 Abs. 3 Satz 3 BGB im Falle nicht
ordnungsgemäßer Belehrung unbefristetes Widerrufsrecht lässt sich
mit den in §§ 4, 7 KSchG und neuerdings in § 17 TzBfG zum Ausdruck kommenden
Anliegen des Gesetzgebers, innerhalt von 3 Wochen Klarheit darüber
zu schaffen, ob ein Arbeitnehmer die Beendigung
eines Arbeitsverhältnisses in Zweifel zieht, nicht vereinbaren.
Die Entstehungsgeschichte spricht ebenfalls gegen die Einbeziehung arbeitsrechtlicher
Aufhebungsverträge. (...)
Die Frage, ob ein Arbeitnehmer allgemein oder nur in bestimmten Fällen Verbraucher
i.S.d. § 13 BGB
sind, bedurfte nach alledem keiner Entscheidung.
Die fachrichterliche Pflicht zur verfassungskonformen Auslegung einfachrechtlicher
Vorschriften führt nicht zu einem anderen Ergebnis; eine Ausdehnung
des §§ 312 BGB über Wortlaut und Systematik
hinaus auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge ist jedenfalls im Entscheidungsfall
von Verfassungs wegen nicht geboten.
(...)
Nach diesen Grundsätzen besteht von Verfassungs wegen keine generelle Notwendigkeit,
dem Arbeitnehmer beim Abschluss eines Aufhebungsvertrages über den
vom Gesetzgeber vorgesehenen Anwendungsbereich hinaus ein Widerrufsrecht zuzubilligen.
Im Arbeitsrecht sind Störungen der Vertragsparität zwar besonders
häufig anzutreffen; dies ist seine eigentliche Existenzberechtigung als
Arbeitnehmerschutzrecht. Der ebenfalls grundrechtlich geschützten Privatautonomie
ist aber gleichermaßen Rechnung zu tragen. Das starke Übergewicht
des Arbeitgebers, durch welches er vertraglicheRegelungen faktisch einseitig
setzen unddamit den Arbeitnehmer zur Aufgabe grundrechtlich gesvhützter
Positionen bestimmen kann, muss dahier im Einzelfall konkret festgestellt werden
(...), wobei nicht jeder Störfaktor auszugleichen ist.
In welchen Fallkonstellationen eine einseitige Lösungsmöglichkeit des Arbeitnehmers
verfassungsrechtlich erforderlich ist und ob dies in erweiternder Auslegung
der Tabestandsmerkmale des § 123 BGB oder des Anwendungsbereiches
des §§ 312 BGB zu geschehen hat,
kann dahinstehen. Voraussetzung wäre aus den dargestellten Grundsätzen
zur Schutzpflicht jedenfalls, dass eine
die Vertragsparität grundlegend störende "Überrumpelungslage"
besteht. Es ist von Verfassungs wegen daher nicht geboten,
den Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf Fälle zu erstrecken,
in denen der Aufhebungsvertrag geschlossen wurde, ohne dass
der Arbeitnehmer überraschend und daher unvorbereitet zum Vertragsschluss
gedrängt und dadurch in seinen Reaktionsmöglichkeiten (der wirklich
freien Willensbildung) eingeschränkt wurde.
Das Arbeitsgericht
ist zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass sich die Klägerin
aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls (lang andauernde
krankheitsbedingte Abwesenheit vom Arbeitsplatz, Absprache eines Gesprächstermins
mit dem Geschäftsführer des Beklagten in dessen Büro,
Bewusstsein der Klägerin, dass es in diesem Gespräch
"um die Kündigung" gehen werde) nicht in einer
von §§ 312 BGB geforderten Überrumpelungslage
befunden hat. Durch den Abschluss des Aufhebungsvertrags in den
Geschäftsräumen des Beklagten ist nicht ohne Weiteres von einer
erheblichen Vertragsdisparität, hervorgerufen durch eine Überrumpelung,
auszugehen. (...)" |
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