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Haustürgeschäft: Kausalität der Haustürsituation

Bundesgerichtshof (BGH)
Urteile vom 09.05.06
(XI ZR 119/05)
(XI ZR 114/05)
(XI ZR 3/05)
(XI ZR 377/04)
NJW-RR 2006, 1419
ZIP 2006, 1238
WM 2006, 1243
MDR 2006, 1060
EWiR 2007, 639


externe Links
(XI ZR 119/05):
 
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Leitsätze:  (XI ZR 119/05)
1.  Verneint das Berufungsgericht einen Kausalzusammenhang zwischen Haustürsituation und Abschluss des Darlehensvertrages neben dem zwischenzeitlichen Zeitablauf vor allem deshalb, weil der Verbraucher sein Widerrufsrecht hinsichtlich der mit der Kreditaufnahme verbundenen Fondsbeteiligung nicht ausgeübt habe, so ist diese im Revisionsverfahren nur beschränkt überprüfbare tatricherliche Würdigung nicht zu beanstanden.
2.  (...)
 
 
  
   aus den Entscheidungsgründen:  (XI ZR 119/05)   
  zum 1. Leitsatz:

"(13) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht einen wirksamen Widerruf der auf Abschluss des Darlehensvertrages der Parteien (...) gerichteten Erklärung des Klägers nach den Vorschriften des Haustürwiderrufsgesetzes verneint hat, lässt entgegen der Ansicht der Revision keinen Rechtsfehler erkennen.

(14) Ein Widerrufsrecht im Sinne des § 1 Abs.1 Satz 1 Nr.1 HWiG setzt voraus, dass der Kunde durch mündliche Verhandlungen im Bereich einer Privatwohnung oder an seinem Arbeitsplatz zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt es, dass er in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war (BGHZ 123,380,393; Senatsurteile vom 20.01.2004, XI ZR 460/02, WM 2004,521,522, und vom 08.06.2004, XI ZR 167/02, WM 2004,1579,1581). Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den mündlichen Verhandlungen gemäß § 1 Abs.1 Satz 1 Nr.1 HWiG und der Vertragserklärung wird für den Nachweis des Kausalzusammenhangs vom Gesetz nicht gefordert (Senatsurteil vom 20.05.2003, XI ZR 248/02, WM 2003,1370,1372 m.w.N.). Die von einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgehende Indizwirkung nimmt aber mit zunehmendem zeitlichen Abstand ab und kann nach einer gewissen Zeit ganz entfallen (Senat, BGHZ 131,385,392 m.w.N.; Senatsurteile vom 21.01.2003, XI ZR 125/02, WM 2003,483,484, vom 20.05.2003, aaO, und BGH, Urteil vom 22.10.2003, IV ZR 398/02, WM 2003,2372,2374). Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung möglicherweise auch anderen Umständen im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist eine Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalles, die jeweils dem Tatrichter obliegt und die deshalb in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur beschränkt überprüft werden kann (vgl. Senatsurteile vom 21.01.2003, aaO, vom 18.03.2003, XI ZR 188/02, WM 2003,918,920f., vom 20.05.2003, aaO, sowie vom 20.01.2004, aaO; siehe ferner BGH, Urteil vom 22.10.2003, IV ZR 398/02, WM 2003,2372,2374f.).

(15) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Abschluss des Darlehensvertrages der Parteien nicht mehr unter dem Eindruck einer für Haustürgeschäfte typischen Überrumpelungssituation zustande gekommen ist. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der dafür notwendige Kausalzusammenhang angesichts des zeitlichen Abstandes von knapp drei Wochen zwischen der angeblich vom Kläger in einer Haustürsituation gestellten Kreditanfrage vom 01.12.1994 und dem Vertragsschluss vom 15./19.12.1994 sowie wegen weiterer Indiztatsachen nicht mehr zuverlässig festgestellt werden kann, ist nicht zu beanstanden. Dabei kann offen bleiben, ob ein Anscheinsbeweis zugunsten des in einer Haustürsituation geworbenen Verbrauchers nach der allgemeinen Lebenserfahrung gewöhnlich schon etwa nach einer Woche entfällt (siehe etwa MünchKommBGB/Ulmer, 3.Aufl., § 1 HWiG Rdn.17). Jedenfalls ist der hier in Rede stehende Zeitraum für eine solche Betrachtungsweise dann lang genug, wenn den Kausalzusammenhang in Frage stellende Umstände hinzutreten. Dass das Berufungsgericht einen solchen Umstand vor allem in dem unterlassenen Widerruf des Fondsbeitritts des Klägers trotz ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung erblickt hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Begründung steht, worauf schon das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen hat, in keinem unlösbaren Widerspruch zu der nach §§ 1,2 HWiG gebotenen vertragsspezifischen Belehrung und dem Schutzzweck des verbundenen Geschäfts im Sinne des § 9 Abs.1 VerbrKrG. Vielmehr beruht sie auf der rechtlich zulässigen Erwägung, dass ein Verbraucher, der beim Anlagegeschäft ein Widerrufsrecht trotz ordnungsgemäßer Belehrung nicht ausübt, dies regelmäßig bewusst tut, und dass davon normalerweise auch die wirtschaftlich eng verbundene Anlageentscheidung betroffen ist. Hier kommt hinzu, dass der Kläger sich nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht wie ein überrumpelter Verbraucher verhalten, sondern sich erst nach mehreren Gesprächen mit dem Vermittler zum Erwerb der Fondsbeteiligung und der Darlehensaufnahme entschlossen hat. Wenn die Revision die Rechtslage insoweit anders beurteilt, so versucht sie lediglich, die rechtsfehlerfreie und infolgedessen von ihr hinzunehmende tatrichterliche Würdigung durch ihre eigene zu ersetzen."

 
 

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