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      EzB - Entscheidungen zum Bankrecht

Lehman-Zertifikate auf dem Weg zum BGH -
OLG Hamburg lehnt Aufklärungspflichten über
Gewinnmarge und fehlende Einlagensicherung ab


OLG Hamburg, Urteile vom 23.04.2010
- 13 U 117/09 - (nicht rechtskräftig)
- 13 U 118/09 - (nicht rechtskräftig)
Hamburger Sparkasse (Klagen abgewiesen)

Begriffe:
Anlageberatung, Aufklärungspflicht, Schadensersatz, Lehman-Zertifikate, Rückvergütungen, Kick-Backs, Gewinnmarge, Handelsspanne, Einlagensicherung, Emittentenrisiko, Hamburger Sparkasse (Haspa)

Leitsätze RA Maier:

1. Eine beratende Bank, die ein fremdes Anlageprodukt selbst vertreibt, ist nicht verpflichtet, über ihre Gewinnmarge aufzuklären. Die nur für Dreipersonenverhältnisse einschlägige "Kick-Back"-Rechtsprechung des BGH ist auf solche Eigengeschäfte nicht übertragbar. Dabei ist es unerheblich, ob der beratene Anleger erkennt, dass es sich um ein Eigengeschäft der Bank handelt.

2. Eine beratende Bank, die über das Emittentenrisiko aufklärt, muss nicht zusätzlich über das Fehlen einer Einlagensicherung aufklären.

3. Lehman-Zertifikate waren im Dezember 2006 eine "sichere" Anlage.

4. Eine beratende Bank, die im Dezember 2006 Lehman-Zertifikate selbst vertrieben hat, konnte eine etwaige Aufklärungspflicht über ihre Gewinnmarge oder über das Fehlen einer Einlagensicherung nicht erkennen.

5. Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens greift nur dann ein, wenn der beratene Anleger plausibel erklären kann, dass er bei gehöriger Aufklärung von der empfohlenen Anlage abgesehen hätte.

Aus der Pressemitteilung:

"In beiden Fällen hat das OLG auf Seiten der Hamburger Sparkasse keine zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung der Pflicht zur anleger- und anlagegerechten Beratung festgestellt.

Eine Beratungspflichtverletzung könne - entgegen der Sichtweise des Landgerichts - insbesondere nicht darin gesehen werden, dass die Kläger beim Erwerb der Zertifikate nicht über die Höhe der Gewinnmarge der Sparkasse und die nicht vorhandene Einlagensicherung aufgeklärt wurden. Auch könnten die empfohlenen Produkte nicht als besonders spekulative Anlage angesehen werden. Bei einem regulären Verlauf hätten die Zertifikate lediglich das Risiko mit sich gebracht, dass für die Laufzeit keinerlei Rendite auf das eingesetzte Kapital erwirtschaftet worden wäre. Auf die Bonität von Lehman-Brothers habe im Zeitpunkt der Beratungen in den Jahren 2006 und 2007 ohne Weiteres vertraut werden können. (...)

Die sog. "Kick-Back"-Rechtsprechung des BGH sei auf die hiesigen Fallkonstellationen nicht übertragbar. (...) Eine Übertragung dieser Rechtsprechung scheide aus, da der Verkauf der Zertifikate ein Eigengeschäft der Beklagten war und entsprechend kein Dreipersonenverhältnis vorgelegen habe. Jedem Anleger, der die Beratungsleistung einer Bank in Aspruch nimmt, hierfür aber keine gesonderte Vergütung entrichtet, müsse klar sein, dass das Unternehmen mit seiner Leistung einen Gewinn erziele. Einer besonderen Aufklärung bedürfe es insoweit nicht. Die Annahme einer entsprechenden Aufklärungspflicht würde Banken entgegen ihren schutzwürdigen Interessen zwingen, bei der Anlageberatung ihre Kalkulation und Ertragsstruktur vollständig offenzulegen. Eine entsprechende Aufklärungspflicht habe zudem schon deshalb nicht bestanden, weil die Beklagte mit der Empfehlung der Lehman-Zertifikate sogar einen geringeren Gewinn als mit dem Verkauf ihrer anderen Anlageprodukte erwirtschaftet habe. Gegenüber anderen Anlageformen habe damit kein erhöhter Vertriebsanreiz und deshalb auch kein Interessenkonflikt existiert, der die Beklagte zur Offenlegung der Marge und/oder des Platzierungsrisikos verpflichtet habe.

Neben der Aufklärung darüber, dass die Kläger bei dem Erwerb der Lehman-Zertifikate das Emittentenrisiko trugen, bedurfte es keines zusätzlichen Hinweises darauf, dass die verkauften Zertifikate nicht der deutschen Einlagensicherung unterlagen. Aus wirtschaftlicher Sicht sei es für einen Anleger, dem bekannt ist, dass ein Totalverlust eintreten kann, ohne Belang, ob dies allein geschieht, weil der Ausgeber der Anleihe insolvent ist oder weil zusätzlich auch kein Sicherungssystem eingreift. Damit komme einer Warnung vor dem Fehlen einer Einlagensicherung neben dem Hinweis auf das Emittentenrisiko keine eigenständige Bedeutung zu. Der Beweis der Behauptung, auch nicht über das Emittentenrisiko belehrt worden zu sein, sei den Klägern nicht gelungen.

Das OLG hat in beiden Fällen die Revision zum BGH zugelassen. Die Frage, ob eine Bank im Rahmen der Anlageberatung einen Hinweis auf die von ihr erzielte Gewinnmarge aus einem Eigengeschäft erteilen muss bzw. neben dem Hinweis auf das Emittentenrisiko auch noch Aufklärung über das Nichteingreifen eines Einlagensicherungssystem schuldet, sei von grundsätzlicher Bedeutung und bislang nicht höchstrichterlich entschieden worden." 

Anmerkung RA Maier:

Das Landgericht Hamburg hatte die Hamburger Sparkasse in zwei Lehman-Fällen zum Schadensersatz verurteilt (Urteile vom 23.06.2009, 310 O 4/09 und vom 01.07.2009, 324 O 22/09). Das OLG Hamburg hat beide Urteile aufgehoben. Es hatte sich schon vorab angedeutet, dass das OLG Hamburg dem Landgericht nicht folgen wird.

Die Argumentation des OLG überzeugt nicht. Wegen der Aufklärungspflicht der beratenden Bank über ihre Gewinnmarge kann es nicht ausreichen, wenn dem Anleger "klar sein muss", dass die Bank einen Gewinn erziele. Stattdessen benötigt der Anleger auch Angaben zur Größenordnung der Gewinnmarge, um das Eigeninteresse der beratenden Bank selbst einschätzen zu können. Wegen der Aufklärungspflicht der beratenden Bank über die fehlende Einlagensicherung kann es nicht ausreichen, wenn der Anleger über das Emittentenrisiko aufgeklärt wird. Emittentenrisiko und Einlagensicherung stehen nicht nebeneinander, sondern in einem Stufenverhältnis. Die Einlagensicherung dient gerade dazu, das Emittentenrisiko aufzufangen. Wird über ein Risiko "auf der ersten Stufe" aufgeklärt, so macht dies die Aufklärung über die fehlende Sicherung "auf der zweiten Stufe" nicht entbehrlich. Klärt der Verkäufer eines Sportwagens darüber auf, dass schnell fahren gefährlich ist, dann muss er trotzdem darauf hinweisen, wenn das Auto weder Bremsen noch Airbag hat, dass also keine Sicherung vorhanden ist, wenn sich das Risiko verwirklicht.

Das OLG Hamburg hat in beiden Verfahren die Revision zum BGH zugelassen. Die Urteile sind also nicht rechtskräftig.

Siehe auch Rechtsprechungsübersicht zu den Lehman-Zertifikaten.
 
 
Entscheidung im Wortlaut
(Fundstellen im Internet):
  • Rechtsprechung Hamburg (13 U 118/09)
  • openJur (13 U 117/09)
  • openJur (13 U 118/09)
  • FIS Money Advice (13 U 118/09)
  •       Zusammenfassungen / Stellungnahmen
    (Fundstellen im Internet):
  • Pressemitteilung OLG Hamburg
  • N D R
  • Z D F
  • F T D
  • F A Z
  • Hamburger Abendblatt
  • Finanztip

  • Fundstellen in Zeitschriften:
  • VuR 2010, 263 (Besprechung RA Maier) (13 U 118/09)
  • ZIP 2010, 973 (13 U 117/09)
  • WM 2010, 1029 (13 U 117/09)
  • EWiR 2010, 381 (Simon)

    Vorinstanz:
  • LG Hamburg, Urteil vom 01.07.2009
        - 325 O 22/09 - (zu 13 U 117/09)
  • LG Hamburg, Urteil vom 23.06.2009
        - 310 O 4/09 - (zu 13 U 118/09)


  • nicht rechtskräftig
    Aktenzeichen beim BGH:
  • XI ZR 182/10 (zu 13 U 117/09)
  • XI ZR 178/10 (zu 13 U 118/09)
  • Rechtsanwalt Arne Maier, Am Kronenhof 2, 73728 Esslingen

     

             
     
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